Die Energiekonzerne erhöhen ihre Preise und erzürnen damit Verbraucher, Politik und das Kartellamt

"Kein Problem, einfach den Anbieter wechseln"

Viele Verbraucher müssen seit Anfang des Monats höhere Strompreise einkalkulieren: Mehr als 100 Energieversorger in Deutschland haben ihr Angebot verteuert. Kein Zufall, sagen Experten. "Kein Problem, einfach einen günstigeren Anbieter finden und wechseln", sagt Holger Krawinkel vom vom Bundesverband der Verbraucherzentralen im domradio-Interview. Und auch der Bundesumweltminister findet deutliche Worte.

 (DR)

Betroffen sind vor allem Kunden von Vattenfall Envia-M und den Stadtwerken. Die Anbieter sprechen von gestiegenen Beschaffungskosten.
Allerdings sei der dafür maßgebliche Großhandelspreis an der Strombörse in Leipzig in den vergangenen zwölf Monaten nicht gestiegen, sondern im Trend auf hohem Niveau gleich geblieben, berichtete die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schon vergangenen Samstag.

Andere Anbieter, wie RWE, hatten im Vorfeld ihren Kunden versprochen, die Preise bis Jahresende stabil zu halten. Dennoch will der zweitgrößte deutsche Energiekonzern RWE nun doch eine Strompreis-Erhöhung bis August nicht mehr ausschließen. "Die Preise bleiben vorerst stabil, wie sich die Situation im Spätsommer entwickeln wird, wissen wir noch nicht", sagte eine RWE-Sprecherin der "Westdeutschen Allgemeinen Zeitung" (Mittwochausgabe) laut Vorabbericht.

Im Vergleich der zehn größten Städte in Deutschland sind die Strompreise nach Angaben von Verivox.de in Stuttgart mit 871 Euro pro Jahr am höchsten. Es folgen Bremen (853 Euro), Berlin (843 Euro), Essen (841 Euro), Hamburg (836 Euro), Frankfurt am Main (831 Euro), Düsseldorf (824 Euro), Dortmund (808 Euro), Köln (805 Euro) und München (804 Euro). Den bundesweit günstigsten Grundversorgungstarif bietet nach der Aufstellung die Aschaffenburger Versorgungs-GmbH mit 661 Euro. Verivox.de hat für seine Liste die Grundversorgungstarife von 861 Stromversorgern verglichen.

Gabriel: Stromkonzerne an Dreistigkeit nicht zu überbieten
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) warnte die deutschen Energiekonzerne davor, den jüngsten Bundestagsbeschluss zum Emissionshandel ab 2008 wie angekündigt zu Strompreiserhöhungen
zu nutzen. "Die Ankündigung der Stromkonzerne ist an Dreistigkeit
kaum zu überbieten, denn sie haben in der ersten Handelsperiode ihre
Emissionsberechtigungen kostenlos erhalten und trotzdem in die
Strompreiserhöhungen einbezogen", sagte Gabriel der Düsseldorfer
"Rheinischen Post" am Montag.

Dadurch hätten die Konzerne vier bis sechs Milliarden Euro Sondergewinne kassiert. Die Bundesregierung wolle zehn Prozent dieses "leistungslosen Gewinns" abschöpfen, um damit Klimaschutz zu bezahlen, sagte Gabriel.

Vor dem Energiegipfel am Dienstag hat Deutschlands oberste Verbraucherschützerin Edda Müller den Stromkonzernen Überheblichkeit vorgeworfen. "Sie sind Jahrzehnte lang von der Politik sehr pfleglich behandelt worden, und sie sind arrogant geworden", sagte die Chefin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen Edda Müller dem Berliner "Tagesspiegel". Die Verbraucher seien über die jüngsten Strompreiserhöhungen "sehr, sehr sauer". Viele Kunden wollten jetzt erstmals wechseln, um ihrem Versorger die Stirn zu bieten.

Stromkunden reagieren mit Anbieterwechsel
Zehn Prozent aller deutschen Stromkunden hätten sich bereits auf den Weg zu einem neuen Anbieter gemacht, berichtete die Fernseh- und
Freizeit-Illustrierte "Auf einen Blick" in Hamburg am Mittwoch vorab
unter Berufung auf eine Emnid-Umfrage. Weitere neun Prozent wollten
noch wechseln. 18 Prozent hätten angegeben, keinen Anbieterwechsel zu
planen, da sie noch nicht über die nötigen Informationen verfügten.
Mit 58 Prozent stelle die Gruppe der treuen Kunden jedoch weiter die
Mehrheit. Der Strom-Markt sei aber erstmals deutlich in Bewegung.
Befragt wurden den Angaben zufolge über 1000 Personen.

Die Konzerne hätten es sich nun auch mit der Politik verdorben, sagte Müller, die am Energiegipfel teilnimmt. "Sie haben damit gedroht, nicht mehr in Deutschland zu investieren. Eine solche Erpressung kommt bei der Politik nicht gut an", betonte die Verbraucherschützerin. "Wenn die Energieversorger nicht bald zu Kreuze kriechen", müssten sie damit rechnen, dass sie - wie von der EU-Kommission gewollt - das Eigentum an den Netzen
verlieren, drohte Müller.

Kartellamt: Preispolitik gefährdet deutsche Wirtschaft
Der Chef des Kartellamtes Bernhard Heitzer kritisierte indes den
mangelnden Wettbewerb auf dem deutschen Energiemarkt und kündigte
noch für dieses Jahr Entscheidungen der Behörde dazu an.

Mit ihrer Preispolitik gefährde die Energiewirtschaft die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Zugleich werde die Arbeitslosigkeit hoch gehalten. "Arbeitslosenquote und Preissteigerungsrate könnten geringer sein, wenn wir niedrigere Energiepreise hätten. Und das Wachstum wäre signifikant höher als heute", zeigte sich Heitzer überzeugt.