Westliche Geheimdienste beunruhigt - Verteidigungsminister entging nut knapp einem Anschlag

Wer informiert die Taliban?

Die westlichen Geheimdienste sind zunehmend über die immer besseren Informationsquellen der radikal-islamischen Taliban in Afghanistan irritiert. Der Besuch von Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) am 6. Juni in der afghanischen Hauptstadt Kabul war aus Sicherheitsgründen streng geheim gehalten worden. Als der Minister nach einem kurzen Besuch beim afghanischen Präsidenten Hamid Karsai auf der Rückfahrt zum Flughafen von Kabul war, entging er nur knapp einem Attentat.

 (DR)

"Wir hatten in letzter Minute einen Tipp bekommen. Die Fahrtroute des Konvois konnte abrupt geändert werden. Dadurch entging der Minister dem sicheren Tod", berichtete ein Geheimdienstler am Montag in Kabul. Es habe auch einen "konkreten Anschlagshinweis" der Feldjäger, der Militärpolizei der Bundeswehr, gegeben.

Die deutschen und amerikanischen Nachrichtendienstler rätseln nun: "Wer hat damals den Besuch des Ministers in Kabul verraten?" Einer der Geheimdienstler wies darauf hin, dass die Taliban "seit geraumer Zeit ein dichtes Netzwerk von Beobachtern und Informanten aufbauen konnten". Dieses Netzwerk erstrecke sich bis nach Deutschland.

Talibannetzwerk in Deutschland
Über Mittelsmänner in der Bundesrepublik würden die Taliban "ziemlich viel über geplante und bevorstehende Einsätze der Bundeswehr und die Sicherungsmaßnahmen in den deutschen Stützpunkten im Norden Afghanistans erfahren", ließ der Geheimdienstler wissen. "Wir sind jedes Mal aufs Neue erstaunt, was wir aus unseren afghanischen Quellen über die Kenntnisse der Taliban über beabsichtigte und bevorstehende Vorgehensweisen der Bundeswehr erfahren".

Einen offenkundigen "Schwachpunkt" stellen nach Aussage der Geheimdienstler die afghanischen Zivilbeschäftigten in den deutschen Lagern in Nordafghanistan dar. Diese Männer und Frauen, die die verschiedensten Aufgaben in den deutschen Camps wahrnehmen, werden zwar vor der Einstellung und auch während ihrer Arbeitszeit ständig überprüft. "Aber in ihre Köpfe können wir natürlich nicht hineinschauen", erläuterte ein Geheimdienstler. Die Taliban würden mit "sehr verschiedenen Methoden die in deutschen Diensten stehenden Afghanen bearbeiten - mit Drohungen, aber natürlich auch mit Dollars". Aus diesen Reihen bekämen die Taliban "mit Sicherheit immer wieder entscheidende Tipps".

Attentatsversuche nehmen zu
Beunruhigt zeigten sich die Geheimdienste in Kabul auch über die "in immer kürzeren Zeitabständen registrierten genau gezielten Versuche der Taliban, gegen die Deutschen vorzugehen". Nach dem Attentat der Taliban im Mai im deutschen Stationierungsort Kundus, bei dem drei Soldaten getötet wurden, folgte vor kurzem der Anschlag auf einen Fahrzeugkonvoi der deutschen Botschaft in der Nähe von Kabul, der glimpflich ablief. Es wurde niemand verletzt. Eines der Autos wurde jedoch zerstört.

Genau zum Auftakt der neuen Polizeimission der Europäischen Union (EU), die unter deutscher Leitung am 17. Juni in Kabul begann, verübten die Taliban den schwersten Anschlag seit ihrem Sturz 2001. 35 Menschen, darunter 20 afghanische Polizisten, kamen in einem Polizeibus ums Leben. Deutsche kamen nicht zu Schaden.

Die westlichen Geheimdienste befürchten, dass die Taliban und die mit ihnen verbündeten "Gotteskrieger" im Oktober zuschlagen könnten, wenn das Bundestagsmandat für den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch verlängert werden soll. "Wir haben Hinweise, dass die Taliban zu diesem Zeitpunkt einen Anschlag planen. Etwas Genaues wissen wir leider nicht", war aus Geheimdienstkreisen in Berlin zu hören.