Keine Lösung ohne die Hamas

Israel lässt 250 Palästinenser frei

Bei dem Treffen in Scharm al Scheich haben die Teilnehmer Palästinenserpräsident Abbas den Rücken gestärkt. Israels Premier Olmert versprach, 250 zu Abbas' Fatah- Organisation gehörende Palästinenser freizulassen. Weitere Erleichterungen für das Westjordanland wurden aber nicht zugesagt. Einig waren sich die Gipfelteilnehmer in ihrer Ablehnung der Hamas. Es ist ein Fehler, nicht mit der Hamas zu reden, sagt dagegen Nahostexpertin Margret Johannsen im domradio Interview.

 (DR)

Forderungen der Fatah nicht erfüllt
Israel hatte schon am Wochenende zugesagt, einen Teil der bisher zurückgehaltenen palästinensischen Zolleinnahmen an die neue Regierung im Westjordanland auszuschütten. Die Forderungen der Fatah gehen aber weiter: Straßensperren sollen aufgehoben werden, Grenzübergänge geöffnet und Häftlinge freigelassen werden. Außerdem fordert die Fatah, dass sich die israelische Armee aus dem Westjordanland zurückzieht und die Israelis alle Gelder der Palästinenser an die neue Regierung im Westjordanland auszahlen.

Diesen Forderungen ist Israel auf dem Gipfel nicht nachgekommen. Israel wird zögern, den Forderungen der Fatah so bald nach zu geben, schätzt Dr. Margret Johannsen vom Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg.

Die Fatah-Anhänger gelten zurzeit zwar als die "guten Palästinenser". Doch 13 Jahre Korruption und Misswirtschaft unter der von der Fatah geführten Autonomie-Behörde haben die Hamas erst groß werden lassen. Internationale Fördergelder konnten das nicht verhindern. Und so kommentiert die Neue Osnabrücker Zeitung: "Das schwerwiegendste Problem auf palästinensischer Seite ist von außen ohnehin nicht lösbar: dass Jahrzehnte Machtmissbrauch, Filz und Bestechlichkeit die Fatah und damit auch Abbas alt aussehen lassen. Und die Hamas umso strahlender als vitale und reinigende Kraft erscheint, der die Zukunft gehört."

Die Doppelstrategie von USA und Israel
US-Präsident Bush und Ehud Olmert hatten bei ihrem Treffen in der letzten Woche eine Doppelstrategie beschlossen. Danach soll Abbas im Machtkampf mit der Hamas der Rücken gestärkt und das Westjordanland finanziell und politisch unterstützt werden. US-Präsident George W. Bush hofft sogar, dass es noch vor dem Ende seiner Amtszeit, Anfang 2009, zur Schaffung eines palästinensischen Staates kommen werde.

Israels Politik gegenüber dem von der Hamas kontrollierten Gaza dagegen, ist kompromisslos hart. Die Zugänge zum Gazastreifen hat Israel abgeriegelt. Gespräche zwischen Israel und der Hamas sind bis auf weiteres nicht vorgesehen.

Diese Isolierung hält Dr. Margret Johannsen für kurzsichtig. Man werde sich mittelfristig auf ein Arrangement der Machteilung einlassen müssen. Mit einer Regierung, die die Mehrheit der Bevölkerung hinter sich hat, könne man nicht umgehen wie mit Schmuddelkindern.
Es gäbe in Gaza auch al Quaida-Zellen. Die würden gestärkt, wenn die pragmatischen Kräfte der Hamas nicht in Gespräche eingebunden würden.

Israel und Hamas haben gemeinsame Interessen
Auf dem Weg zu einem Nahost-Frieden muss Israel nach Ansicht seines ehemaligen Botschafters in Deutschland, Avi Primor, auch mit der radikalen Palästinenserorganisation Hamas verhandeln.
"Ich bin der Meinung, dass man dem nicht ausweichen kann", sagte Primor am Dienstag im Westdeutschen Rundfunk. "Irgendwann wird man die Realität wahrnehmen müssen und mit denen, die tatsächlich an der Macht sind, sprechen." Israel habe auch in der Vergangenheit mit der Hamas geredet, obwohl dies immer dementiert worden sei.

Es gebe ein gemeinsames Interesse beider Seiten, betonte Primor: "Die Hamas braucht uns, um die Lebensbedingungen im Gazastreifen zu verbessern, und ohne uns kann sie es nicht." Israel brauche seinerseits die Hamas, um Sicherheit und Ruhe entlang der Grenze zum Gazastreifen zu gewährleisten.

Kein Separatfrieden
Auch aus dem israelischen Außenministerium war zu hören, dass Jerusalem keinen Separatfrieden mit dem Westjordanland anstrebe. Vorraussetzung für Friedensgespräche sei, dass die Palästinenser ihre interne Konfrontation überwinden würden. Palästina muss mit "einer Stimme sprechen", sagte Außenamtssprecher Jigal Palmor. Abbas müsse die volle Unterstützung jener Palästinenser zurück gewinnen, die für Hamas gestimmt hätten, betonte Palmor.

Wird Blair Gesandter des Nahost-Quartett?
Erstmals seit dem Sieg der Hamas im Gazastreifen ist auch das Nahost-Quartett zusammengekommen. Vertreter der Vereinten Nationen, der Europäischen Union, der USA und Russlands wollen in Jerusalem über die Ernennung des scheidenden britischen Premierministers Tony Blair zum neuen Nahost-Gesandten beraten. Der ehemalige Nahost- Sondergesandte James Wolfensohn hatte sein Amt vor einem Jahr nach dem Wahlsieg der radikal-islamischen Hamas niedergelegt.

Blair solle von einem Büro in Jerusalem und einem im Westjordanland arbeiten, schrieb der britische "Guardian". Der scheidende britische Premier solle die palästinensischen Behörden beim Aufbau von Institutionen für einen lebensfähigen Staat unterstützen.

Im Nahen Osten wird die Ernennung Blairs skeptisch gesehen. Besonders die Nähe Tony Blairs zu den USA während des Irakkriegs und im Libanonkrieg sorgt für Zweifel. In den Augen des Nahost-Experten Prof. Lothar Brock, qualifizieren den Engländer vor allem seine Erfolge im Nordirland Konflikt.