Kardinal Lehmann stellt sich gegen Gleichstellung des Islam - Kritik von Isamwissenschaftler

Gleich oder nicht gleich?

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, hat sich gegen die rechtliche Gleichstellung christlicher und nichtchristlicher Religionen in Deutschland ausgesprochen. Man dürfe den wechselseitigen Lernprozess zwischen Staat und Kirche nicht übersehen, der der Stellung der Kirchen als Teil der "guten, öffentlichen Ordnung" zugrunde liege. Kritik kommt vom Münsteraner Professor für Öffentliches Recht, Christian Walter. Man dürfe die Bedingungen nicht so eng führen, dass "nur die katholische Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechts sein" könne.

 (DR)

Lehmann betonte, das Christentum habe nicht nur die Geschichte Europas geprägt, sondern wirke über die europäische Rechtskultur bis in die Gegenwart hinein. Das könne nicht einfach ignoriert werden. Der Vorsitzende der Bischofkonferenz wandte sich gegen ein Verständnis der Religionsfreiheit, das dieses Grundrecht auf seine Funktion als Abwehrrecht reduziere. Diese Sicht führe zu einer falschen Toleranz, die alle Religionen unabhängig von der Zahl ihrer Mitglieder und ihrer Geschichte gleich behandele. Dieser Aspekt werde "vor allem im Blick auf die Verleihung des Körperschaftsstatus an den Islam weitgehend übersehen". Als Körperschaften öffentlichen Rechts wirken zu können, sei "Ausdruck europäischer Kulturidentität". Nach Lehmanns Worten verbiete es sich daher, den Körperschaftsstatus "relativ beliebig" zu verleihen.

Religionsverfassungsrechtler widerspricht Kardinal Lehmann
Der Münsteraner Professor für Öffentliches Recht, Christian Walter, hat Kardinal Lehmann widersprochen, dass sich aus der deutschen Verfassungstradition und Geschichte ein Vorrang für die christlichen Kirchen ergebe.

Walter, der Experte für Religionsverfassungsrecht ist, kritisierte im "Tagesspiegel" (Freitagausgabe), Lehmann akzentuiere damit "einseitig eine Seite des so genannten Weimarer "Kirchenkompromisses, den das Grundgesetz als geltendes Verfassungsrecht übernommen hat. Die Linke habe 1919 auf eine Trennung von Staat und Kirche nach französischem Modell verzichtet und dem Erhalt des Körperschaftsstatus zugestimmt. "Im Gegenzug wurde aber der Zugang zum Körperschaftsstatus grundsätzlich allen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften geöffnet", stellte er klar.

Walter stimmte Lehmanns Auffassung zu, dass der Körperschaftsstatus nicht beliebig vergeben werden dürfe. Man dürfe "die Bedingungen andererseits aber auch nicht so eng führen, dass - überspitzt gesagt - nur die katholische Kirche Körperschaft des öffentlichen Rechts sein kann. Ich finde, dass man den Weimarer Grundgedanken erhalten soll: Man bewahrt das historisch und kulturell Gewachsene und öffnet sich gleichzeitig dem Neuen."


Auch Pofalla gegen rechtliche Gleichstellung von Islam und Christentum
Auch CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla hatte sich gegen eine rechtliche Gleichstellung des Islam mit dem Christentum in Deutschland ausgesprochen. Dies voreilig zu tun, wäre einmal mehr Ausdruck falsch verstandener Toleranz, erklärte Pofalla am Donnerstag in Berlin.

Pofalla sagte weiter, der Islam und andere Glaubensrichtungen seien Bestandteil der Gesellschaft. Zahlreiche Moscheen gäben dafür Zeugnis, dass Deutschland ein aktives Gemeindeleben fördere. Das Christentum jedoch sei "zentraler Baustein im kulturellen Erbgut Europas". Ohne es sei die europäische gesellschaftliche und politische Ordnung nicht zu verstehen. Seine Partei werde sich daher weiter für die herausgehobene rechtliche und kulturelle Stellung des Christentums in Deutschland und Europa einsetzen.