Gesellschaft für bedrohte Völker: Irakische Christen flüchten verzweifelt - bisher keine Hilfe aus Deutschland

Massenflucht aus dem Irak

" 'Wir töten euch. Verschwindet!' Das habe ich per SMS bekommen. Wir Christen haben schreckliche Angst", sagt Rafael Yousif (40) aus dem irakischen Mosul. Die Todesdrohungen fanatischer islamischer Fundamentalisten, die auch auf Flugblättern kursieren, sind ernst gemeint. Ständig werden Christen Opfer gezielten Terrors: Sie werden bedroht, verschleppt, gequält und ermordet, klagt die die Gesellschaft für bedrohte Völker im domradio.

 (DR)

Auch wenn verzweifelte Angehörige Lösegeld zahlen, bekommen sie ihr Familienmitglied sehr oft nicht mehr lebend zurück. Immer wieder werden Leichen Entführter bestialisch verstümmelt aufgefunden. Ob Mann oder Frau, Kind oder Greis, Priester oder Nonne - Angehörige der christlichen Minderheit, der Assyro-Chaldäer, sind im mittleren und südlichen Irak nirgendwo mehr sicher. Christen werden auf dem Weg zur Arbeit oder zur Schule angegriffen, in ihren Wohnungen oder Läden überfallen. Hunderte wurden schon verschleppt, Mädchen und Frauen - sogar Nonnen - vergewaltigt.

Selbst islamische Geistliche schüren die Hetzjagd gegen Christen und fordern sie öffentlich zum Verlassen des Landes auf. So verlangte Imam Hatim Al Razak am 17. Mai 2007 von den Assyro-Chaldäern in Dora, einem Stadtteil von Bagdad, sie sollten zum Islam übertreten oder sofort gehen. Zuvor waren innerhalb von nur drei Wochen schon mindestens 150 assyro-chaldäische Familien geflüchtet, weil sie mit dem Tod bedroht worden waren. Nach Angaben der Gesellschaft für bedrohte Völker sollen allein in der vergangenen Woche 1000 Christen das Land verlassen haben.

Jeder christliche Geistliche muss ständig um sein Leben fürchten. Priester werden entführt, gefoltert und ermordet wie der syrisch-orthodoxe Pfarrer Paulos Iskandar von der Mar-Afram-Kirche in Mosul. Er wurde am 09. Oktober 2006 verschleppt. Verzweifelt versuchte seine Familie, sein Leben zu retten und erfüllte alle Forderungen der Entführer. Es gelang seinen Angehörigen sogar, das hohe Lösegeld zu sammeln. Und trotzdem wurde Pater Paulos 48 Stunden später enthauptet und seine Leiche grässlich verstümmelt. Arme und Beine waren vom Rumpf abgetrennt.

Zwei Drittel aller Christen haben den Irak verlassen
Viele Iraker leiden unter Terror und Selbstmordanschlägen. Christen aber sind besonders betroffen. Für die Sie bedeutet der systematische Terror das Ende ihrer fast 2000-jährigen Geschichte in weiten Teilen des heutigen Irak. Von den früher rund 650.000 Assyro-Chaldäern wurden schon drei Viertel aus ihrer Heimat vertrieben. Voller Panik haben viele ihr Hab und Gut zurücklassen müssen. Geblieben sind nur diejenigen, die alt, krank oder schwach sind, kein Auto und oder kein Geld für die Flucht haben.

Keine Zuflucht in Deutschland
Viele verzweifelte Assyro-Chaldäer aus dem Irak hoffen auf Aufnahme im "christlichen Westen". Doch der Westen zögert, oder noch schlimmer; bereits geleistete Hilfe wird wieder eingestellt. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat vielen schon lange Jahre in Deutschland lebenden Christen aus dem Irak den Asylstatus mit der Begründung aberkannt, den Fluchtgrund - das Regime von Saddam Hussein - gäbe es ja nun nicht mehr.

Angesichts der blutigen Christenverfolgung spricht die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfBV) bei dieser Entscheidung von "blankem Hohn". Einige Verwaltungsgerichte sind diesem Entschluss jedoch gefolgt. Auch wenn diese so genannten Widerrufsverfahren in einigen Fällen ausgesetzt werden, bringt das für die rund 20.000 Betroffenen keine Lebenssicherheit.

"Der größten Christenverfolgung der Gegenwart nicht tatenlos zusehen!" Unter dieser Überschrift ruft die GfBV zu Spenden und Unterschriften auf.

Mehr zum Thema