Friedensforscher fordern Überprüfung von Bundeswehreinsätzen

Kein politisches Gesamtkonzept

Die führenden deutschen Friedensforschungsinstitute haben eine Überprüfung der Bundeswehr-Auslandseinsätze gefordert. Für die seit 1994 zunehmenden Einsätze deutscher Truppen wie in Afghanistan fehlten bislang klare Kriterien, heißt es in dem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Friedensgutachten 2007.

 (DR)

Ein "politisches Gesamtkonzept" und "die Klärung der Erfolgsbedingungen" im Zielland fehlten in der Regel, sagte Bruno Schoch von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung.

Die Konfliktforscher warnten zudem vor einem neuen atomaren Wettrüsten. China habe seine Verteidigungsausgaben für dieses Jahr um fast 18 Prozent erhöht, Japan wolle seine Rüstungsbeschränkungen aufheben und die politische Situation in Nordkorea habe in Südkorea wie Japan die Diskussion über eigene Nuklearwaffen entfacht. Ferner sorge der Status Indiens als Nuklearmacht für Spannungen mit Pakistan. Fast die Hälfte der Rüstungsausgaben entfallen den Angaben zufolge auf die USA, die NATO-Staaten bestritten zusammen sogar 70 Prozent der Gesamtausgaben.

Wissenschaftler fordern Diskussion
In dem Gutachten fordern die Wissenschaftler neben einer "Evaluierung" laufender Auslandseinsätze der Bundeswehr und der "nachträglichen Bilanzierung" von Kosten und Nutzen eine Diskussion über Ausstiegsszenarien. Jochen Hippler vom Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg kritisierte, Deutschland dürfe nicht Soldaten in Krisenregion verschicken, ohne zu wissen, "wie die Truppen wieder rausgeholt werden können".

Zivilen Alternativen zum Militäreinsatz müsse grundsätzlich Vorrang eingeräumt werden, so die Friedensforscher. Die wachsende Zahl von Bundeswehreinsätzen zeuge davon, dass sich auch in Deutschland "der Irrglaube" breit mache, Militär sei ein adäquates und abrufbereites Mittel weltweiter Krisenbewältigung. Die Entwicklung in Afghanistan belehre aber eines Besseren. Während der Bundeswehreinsatz am Hindukusch jedes Jahr 450 Millionen Euro koste, seien bislang für den zivilen Aufbau inklusive Polizei lediglich 80 Millionen Euro im Jahr ausgegeben worden.

EU sollte Gespräche aufnehmen
Die Friedensforscher forderten ferner ein größeres Engagement der EU im Nahost-Konflikt. Angesichts der Probleme der USA im Irak gebe es für die Europäer Handlungsspielraum, sagte Bruno Schoch. Auf die israelische wie die palästinensische Seite müsse Druck ausgeübt werden. Die EU sollte Gespräche mit der radikalislamischen Hamas aufnehmen, um deren Pragmatiker zu stärken und die durch den Boykott abgebrochene Unterstützung der Palästinensischen Autonomiebehörde fortzusetzen, empfahl Schoch.

Zu den Herausgebern des jährlich vorgelegten Friedensgutachtens gehören neben der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung das Bonn International Center for Conversion (BICC), die Heidelberger Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft, das Institut für Friedensforschung an der Universität Hamburg und das Institut für Entwicklung und Frieden der Universität Duisburg.