Liberias Ex-Diktator Taylor boykottiert Prozess

Auftakt ohne Angeklagten

Charles Taylor gilt als einer der schlimmsten Kriegstreiber Afrikas. Heute beginnt vor einem UN-Sondertribunal in Den Haag der Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten. Taylor wird wegen Kriegsverbrechen während des elfjährigen Konflikts in Sierra Leone angeklagt. Am Montag hat in Den Haag der Prozess begonnen - allerdings ohne den Angeklagten.

 (DR)


Spiel auf Zeit
In Abwesenheit des Angeklagten hat am Montag in Den Haag der Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor begonnen. Der 59-jährige frühere Rebellenführer lehnte es ab, vor den Richtern des UN-Sondertribunals zu Sierra Leone zu erscheinen.

Mit diesem Boykott will er mehr Zeit und Möglichkeiten zur Vorbereitung seiner Verteidigung erzwingen, wie aus dem von seinen Anwälten verlesenen Brief hervorgeht. Andernfalls werde er keinen fairen Prozess bekommen, so Taylor.

Ehemalige Kindersoldaten als Zeugen
Der inzwischen 59 Jahre alte ehemalige Rebellenführer Taylor war 1989 mit einer Truppe aus vielen Kindersoldaten in Liberia einmarschiert. Bei Kämpfen und Gewalttaten kamen von 1989 bis 1996 in Liberia rund 200.000 Menschen ums Leben, rund zehn Prozent der Bevölkerung. Taylor soll zudem Rebellen in Sierra Leone unterstützt haben und ihnen befohlen haben, Zivilisten zu verstümmeln. "Kinder wurden gezwungen, Arme, Beine und Ohren abzuhacken", sagte der Chefankläger UN- Sondertribunals zu Sierra Leone, Stephen Rapp. Er will rund 150 Zeugenaussagen vorlegen, davon werden rund 70 persönlich vor den Richtern erscheinen.

Darunter seien ehemalige enge Vertraute von Taylor und Kindersoldaten. "Wir sagen nicht, dass Taylor selbst Arme abgehackt hat", betonte der Ankläger. "Wir haben aber genug Beweise, dass die Rebellen ihn als Befehlshaber anerkannten."

Ein Staatsoberhaupt vor Gericht
Nach seinem Rücktritt als liberianischer Präsident im August 2003 lebte Taylor im Exil in Nigeria. Das Land hatte ihn im vergangenen Jahr an das Sondertribunal ausgeliefert. Der Prozess gegen Taylor wurde aus Sorgen um Unruhen in der Region nach Den Haag verlegt. Taylor droht lebenslange Haft, die er in Großbritannien verbüßen müsste.

Der Sondergerichtshof für Sierra Leone wurde im Jahr 2002 nach Vereinbarung zwischen der UN und der Regierung von Sierra Leone errichtet. Der Gerichtshof hat das Mandat, „Personen strafrechtlich zu verfolgen, die die größte Verantwortung für schwere Verstöße gegen internationale Menschenrechtsverträge und gegen die Gesetze von Sierra Leone tragen", die seit 1996 in Sierra Leone begangen wurden.

Niemand steht über dem Recht
Der Prozess gegen den ehemaligen liberianischen Präsidenten Charles Taylor signalisiere eindeutig, dass niemand über dem Recht steht, kommentiert Human Rights Watch die Anklage. „Der Prozess eines ehemaligen Präsidenten im Zusammenhang mit Menschenrechtsverletzungen in Westafrika ist ein Bruch mit der Vergangenheit", sagte Elise Keppler, Beraterin bei Human Rights Watch. „In zu vielen Fällen gab es keine Gerechtigkeit für die Opfer von Menschenrechtsverletzungen." Der Prozess von Taylor sende ein klares Zeichen an vermeintliche Täter.