Altbundeskanzler dämpft die Erwartungen - Gipfel nur noch ein Medienspektakel

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Nach den Krawallen in Rostock richtet sich, einen Tag vor Beginn des G8-Gipfels in Heiligendamm, die Aufmerksamkeit langsam wieder auf die Inhalte: Die Bundeskanzlerin sieht im Ringen um Klimaschutzvereinbarungen nun doch wieder Land. Ein ehemaliger Bundeskanzler dämpft die Erwartungen. Und ein alternativer Nobelpreisträger erwartet nicht mehr und nicht weniger als eine Quatschbude.

 (DR)

Merkel: Wir haben noch gute Chancen
"Ich glaube, wir haben noch gute Chancen, unsere Dokumente den Herausforderungen anzupassen", sagte Merkel am Sonntagabend vor einem Gespräch mit dem britischen Premier Tony Blair in Berlin. Blair nannte es "gut", dass die USA nun den CO2-Ausstoß reduzieren wollen.

Die jüngste eigene Klimaschutz-Initiative von US-Präsident George W. Bush bezeichnete Merkel als "Schritt nach vorn". Initiativen der USA als größtem Treibhausgas-Verursacher seien "willkommen", sofern sie in einem UN-Prozess mündeten. Darum werde derzeit in den Dokumenten gerungen. Es gebe eine Chance.

Auch in den Fragen von Armutsbekämpfung und Afrika-Hilfe erhöhten Merkel und Blair den Druck. Merkel hob hervor, dass die Industriestaaten eine große Verpflichtung hätten, die früheren Versprechen für eine stärkere Unterstützung auch einzuhalten. Die Bundesregierung arbeite daran.

Schmidt: Großes Medienspektakel
Altbundeskanzler Helmut Schmidt (SPD) warnte vor zu großen Erwartungen. Er habe den G8-Gipfel 1975 mit Frankreichs damaligem Präsidenten Valery Giscard d'Estaing ins Leben gerufen, damit sich die wichtigsten Regierungschefs des Westens "gegenseitig erleben, einander Fragen stellen und beantworten, in engstem Kreis", betonte der Altkanzler und fügte an:

"Heutzutage ist das Ganze nur noch ein großes Medienspektakel. Ich habe gehört, dass allein die Amerikaner mit 1000 Figuren anreisen. Da werden sich die Russen und die chinesischen Medien nicht lumpen lassen. Alles dummes Zeug! Da kann persönlich nicht mehr viel rauskommen."

Soziologe: Rückbesinnung auf die nationalen Ökonomien
Der philippinische Soziologe Walden Bello fordert eine Rückbesinnung auf die nationalen Ökonomien. Der Nachrichtenagentur ddp sagte Bello, die Globalisierung stecke in einer tiefen Krise und befinde sich auf dem Rückzug. "Das Versprechen dieses Projekts lautete: Es werde weniger Ungleichheit, weniger Armut, dafür aber mehr Wohlstand geben. Geschehen ist das Gegenteil. Die Welt befindet sich in einem schlechteren Zustand als zuvor."

Die Globalisierung werde heute besonders mit dem Klimawandel und der Erderwärmung in Verbindung gebracht. Ein entschiedenes Umdenken sei nötig. Die Wirtschaft müsse sich wieder stärker auf ihr jeweiliges nationales Umfeld fokussieren.

Von dem Treffen erwartet Bello wenig: "Das ist kaum mehr als eine Quatschbude." Die ursprüngliche Idee, die G8-Gipfel zu einem Koordinationszentrum der stärksten Wirtschaftsmächte zu entwickeln, sei fehlgeschlagen. Ein Hauptgrund dafür sei die unilateralistische Haltung der USA. Der positivste Aspekt des Gipfels werde vermutlich die Reaktion der Zivilgesellschaft sein, die sich skeptischer, realistischer und militanter zeigen dürfte als bisher.

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