Merkel stellt G8-Gipfel-Themen vor - Streit um Sicherheitsvorkehrungen

Globalisierung, Klimaschutz und Afrika

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will die Themen Globalisierung, Klimaschutz und Afrika in den Mittelpunkt des bevorstehenden G8-Gipfels in Heiligendamm rücken. "Wir wollen der Globalisierung ein menschliches Gesicht geben", sagte Merkel am Donnerstag in ihrer Regierungserklärung zum Weltwirtschaftsgipfel. In dem Ostseebad wollen die Spitzen der sieben führenden Industrieländer und Russland vom 6. bis 8. Juni über die aktuellen Probleme der Weltwirtschaft beraten. In diesem Jahr hat Deutschland den Vorsitz der G8 inne.

 (DR)

Merkel unterstrich, in Heiligendamm gehe es um die "Lösungen für große Herausforderungen der Menschheit". Nötig sei dafür mehr Wachstum, mehr Beschäftigung, besserer Klimaschutz und ein fairer Welthandel. Deshalb seien zu dem Gipfel auch die führenden Repräsentanten der fünf großer Schwellenländer sowie wichtiger afrikanischer Staaten geladen.

Zugleich versicherte die Kanzlerin, keiner wolle die G8-Runde auf eine G13 erweitern. Doch seien Fortschritte beim Klimaschutz oder Schutz des geistigen Eigentums ohne die Schwellenländer nicht denkbar. Daher solle das Ziel der Aufbau einer "neuen Kooperation" der G8 mit China, Indien, Brasilien, Mexiko und Südafrika sein.

Sieben Themen sollen nach den Worten von Merkel den Weltwirtschaftsgipfel beherrschen. Beim Punkt eins "globaler Aufschwung" gehe es auch um mehr Transparenz bei den Hedgefonds, um nicht kalkulierbare Risiken einzugrenzen. Beim zweiten Thema Innovation soll es auch um einen verstärkter Kampf gegen Produktfälschung und Marktpiraterie gehen. Dritter Punkt soll der Abbau protektionistischer Hindernisse sein. Merkel mahnte: "Das Maß der Offenheit, den wir bieten, erwarten wir auch von unseren Handelspartnern. Alles andere ist nicht akzeptabel."

Die "soziale Gestaltung der Globalisierung" nannte Merkel als vierten Punkt. "Offene Märkte brauchen soziale Teilhabe und politische Akzeptanz", sagte sie. Deswegen müsse und werde von Heiligendamm ein "starkes Signal" für die Beachtung und Verbreitung sozialer Standards ausgehen.

Beim Klimaschutz steht Merkel zufolge eine Regelung für den Post-Kyoto-Prozess im Fokus. Gebraucht werde ein gemeinsamer Ansatz für die Zeit nach 2012. In Heiligendamm soll daher ein "gemeinsames Verständnis" entwickelt werden, wie der Klimawandel wirkungsvoll bekämpft werden kann. Die Kanzlerin räumte jedoch ein: "Ich weiß heute noch nicht, ob dies gelingen kann."

Thema Sechs ist die Liberalisierung des Welthandels, wo sich die Kanzlerin vorsichtig optimistisch äußerte, dass ein Durchbruch bei der festgefahrenen Doha-Welthandelsrunde noch gelingen könne.

Zudem soll es beim G8-Treffen um die Zukunft Afrikas gehen. "Wir wollen als G8 unsere Unterstützung für diejenigen Länder betonen, die Verantwortung übernehmen und Reformen vorantreiben", sagte Merkel. Ziel sei es, dass Afrika "wirtschaftlich und politisch nachhaltige Fortschritte macht".

Streit um Sicherheitsvorkehrungen
Merkel hat die Sicherheitsvorkehrungen für den G8-Gipfel in Heiligendamm verteidigt. "Diejenigen, die heute lautstark Sicherheitsmaßnahmen kritisieren, wären die ersten, die den Sicherheitsbehörden mangelnde Vorsicht vorwerfen würden, wenn Gewalt ausbrechen sollte", sagte die Kanzlerin am Donnerstag im Bundestag. Friedlicher Protest müsse aber auch Gehör finden. Derweil sieht Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Streit um die Abnahme von Körpergeruchsproben bei einigen G8-Gegnern als inszenierten Skandal.

Zypries kritisierte, einige Medien hätten dieses Thema unter Missachtung der Rechtslage dramatisiert. Spekulationen, dass die Proben zur Identifizierung von Demonstranten beim G8-Gipfel im Juni verwendet werden könnten, seien "an den Haaren herbei gezogen". Sie betonte: "Es ist ein Mittel, genau wie Fingerabdrücke eben auch, um festzustellen, ob irgendjemand mit einer Sache in Berührung gekommen ist." Zwar erinnere die Praxis an die Stasi-Methode, Hunderte Geruchsproben in Einweckgläsern zu stapeln. Dies sei aber "nicht das, was unsere Polizei macht." Ein flächendeckendes Sammeln von Geruchsproben werde es "in Deutschland nicht geben".

Sie fügte hinzu, die Bundesstaatsanwaltschaft habe bei ihren Ermittlungen wissen wollen, "ob fünf der Verdächtigen ein bestimmtes Papier in der Hand gehabt haben". Die Geruchsproben würden anschließend sofort vernichtet.

Auch Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) versicherte, die Geruchsproben seien nicht für eine Verwendung zur Prävention gedacht. "Hat keine gegeben, wird keine geben", sagte er knapp. Zugleich betonte er das Recht von Demonstranten auf friedlichen Protest gegen die G8-Versammlung. Die Polizei werde "nicht übertrieben, sondern angemessen" agieren.

Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz forderte die Bundesanwaltschaft dagegen auf, von den "Geruchs- und Schnüffelgeschichten" Abstand zu nehmen. Diese brächten die Behörde "in Erklärungsnot". Den Erkenntniswert beurteilten überdies auch Kriminalisten als "außerordentlich fragwürdig".

Vor dem Bundestag protestierten während der Sitzung knapp zwei Dutzend G8-Gegner gegen das Weltwirtschaftstreffen. Im Parlament entrollten Abgeordnete der Linksfraktion ein Transparent und hielten Anti-G8-Plakate hoch. Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) mahnte die Linke, auf solche "Inszenierung von Mätzchen" zu verzichten. Links-Fraktionschef Gregor Gysi bezeichnete die angekündigten massiven G8-Proteste in der Debatte als "legitim" und warnte vor überzogenen Reaktionen des Rechtsstaats.

Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, verglich die gewalttätigen G8-Proteste indessen erneut mit der Anfangszeit der RAF. Angesichts der jüngsten Brandanschläge betonte er, diese zeigten, "dass es gut drei Jahrzehnte nach dem Terror durch die Rote Armee Fraktion offenbar erneut starke linksextremistische Strömungen in Deutschland gibt".

Der Bundesvorsitzende der Jungen Liberalen, Johannes Vogel, kritisierte die Äußerungen als "unproduktiv". Er betonte zugleich: "Die Durchsuchungen durch die Sicherheitsbehörden in den vergangenen Wochen werfen Fragen zu ihrer Verhältnismäßigkeit auf, da sie bislang zu keinen Anklagen geführt haben." Der Staat sei gefordert "besonnen und verhältnismäßig" zu agieren.