Militärseelsorger zur Lage in Afghanistan nach Anschlag

"Wir helfen hier"

Nach dem schweren Anschlag auf die Bundeswehr in Afghanistan ist die Diskussion um den Einsatz in Deutschland wieder voll entbrannt. Bundesregierung, SPD und Union sind für einen Verbleib deutscher Soldaten in der Krisenregion, SPD-Linke drängen auf einen Ausstieg. Die Bundeswehr will die Strategie ändern. Die Afghanen in Kundus freuten sich über die ISAF-Truppen, sagt Militärseelsorger Zbigniew Mlak im domradio Interview. "Wir helfen hier."

 (DR)

Ein Rückzug gefährdet die Sicherheit in Deutschland
Bei einem Rückzug der Bundeswehr besteht nach Ansicht des CDU-Außenpolitikers Eckart von Klaeden die Gefahr, "dass Afghanistan wieder zu einem Rückzugsraum des transnationalen Terrorismus wird". Wenn die Taliban wieder die Macht in Afghanistan übernähmen, würde es dort auch wieder Ausbildungslager für Terroristen geben. Das würde auch die Sicherheitslage in Deutschland erheblich verschlechtern.

Bundeswehrverband: Radikale Änderung der Gesamtstrategie
Der Chef des Bundeswehrverbands, Bernhard Gertz, lehnte einen Abzug der deutschen Soldaten ab, verlangt aber eine "radikale Änderung der Gesamtstrategie". Ohne diese "laufen wir Gefahr, in Afghanistan zu scheitern". Außer der Tatsache, dass Wahlen durchgeführt worden seien, "hat man kein wesentliches Ziel erreicht".

Nur noch ISAF-Truppen nach Afghanisten
Nach Einschätzung des SPD-Politikers Hans-Peter Bartels zeichnet sich ein Ausstieg der Bundeswehr aus der von den Amerikanern angeführten Mission OEF ab. Deutschland übernehme in Afghanistan Verantwortung für etwas, "das es politisch nicht beeinflussen kann". Der SPD-Verteidigungsexperte Jörn Thießen sagte: "Wir werden OEF nicht verlängern." Auch Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin sieht in den Militäroperationen der USA eine Gefahr für den Erfolg der internationalen Schutztruppe ISAF. "Dass die USA dort mit Kommandoaktionen Krieg führen, das ist in der Tat etwas, das den Erfolg und übrigens das Leben auch unserer dort eingesetzten deutschen Soldaten und Entwicklungshelfer gefährdet."

Welthungerhilfe reduziert Arbeit in Afghanistan
Vor dem Hintergrund einer verschärften Sicherheitslage hat die Deutsche Welthungerhilfe beschlossen, zunächst keine neuen Projekte in Afghanistan zu beginnen. Die laufende Arbeit werde bis Oktober 2007 "auf das notwendige Maß" reduziert und zum Abschluss gebracht, teilte die Hilfsorganisation am Montag in Bonn mit. "Sicherheit hat oberste Priorität", sagte Sprecherin Marion Aberle.

Nichtregierungsorganisationen gerieten zunehmend ins Fadenkreuz regierungsfeindlicher Gruppen, erklärte Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Welthungerhilfe. Sie werden nach Einschätzung der Welthungerhilfe nicht mehr als neutral wahrgenommen. "Es gibt einfach zu viele Kräfte im Land, die den Wiederaufbau ablehnen", so Sprecherin Aberle. Im März und April waren im Norden des Landes zwei Mitarbeiter der Welthungerhilfe erschossen worden. Zurzeit hat die Organisationen 13 deutsche Mitarbeiter in Afghanistan.

Unabhängigkeit und Neutralität sichern
In Zukunft wolle die Welthungerhilfe sich noch klarer gegen internationale militärische Einheiten abgrenzen, hieß es weiter. Die Hilfe solle sich an den Bedürfnissen der Bevölkerung orientieren und nicht an den Vorgaben der Zentralregierung. Bis Oktober dieses Jahres solle ein Konzept erarbeitet werden, das die Unabhängigkeit und Neutralität der Arbeit gewährleiste.

Die Welthungerhilfe ist seit 1980 ohne Unterbrechung in Afghanistan tätig. Schwerpunkte der Arbeit sind ländliche Infrastruktur und Trinkwasserversorgung im Norden und Osten des Landes.