Außenminister Steinmeier würdigt Soldaten in Afghanistan - Kritik am Einsatz wächst

Strategiewechsel am Hindukusch?

Bundesaußenminister Steinmeier hat der Bundeswehr in Afghanistan nach dem tödlichen Bombenanschlag "Anerkennung und Respekt" für ihren schwierigen Einsatz gezollt. Ihre Arbeit verdiene ganze Anerkennung, sagte er in Kundus. Nach einem Treffen mit dem afghanischen Präsidenten Karsai in Kabul sagte Steinmeier, Deutschland stehe zu seinen Verpflichtungen beim Wiederaufbau Afghanistans. In Deutschland ist jeodch die Diskussion über den Einsatz ausgebrochen.

 (DR)

Nach dem Selbstmordanschlag auf deutsche Soldaten werden Forderungen nach einem Strategiewechsel im Anti-Terror-Kampf in Afghanistan immer lauter. Die Grünen fordern die Bundesregierung auf, für ein Ende der von den USA geführten so genannten Operation Enduring Freedom (OEF) zu sorgen. Grünen-Fraktionsvize Jürgen Trittin sagte, die nicht abgestimmten Aktionen von OEF sowie diverser Spezialkräfte kosteten immer wieder Unschuldigen das Leben und desavouierten die internationale Gemeinschaft. Der gesamte Anti-Terror-Einsatz in Afghanistan müsse beendet werden. "Je schneller, je besser." Auch der Einsatz der Bundeswehr-"Tornados" müsse kritisch überprüft werden.

FDP-Sicherheitsexpertin Elke Hoff sieht ohne Verbesserung der Lebensbedingungen keine Stabilisierung Afghanistans. Ohne dies werde auch die Gefahr von Anschlägen der Taliban fortbestehen, sagte Hoff. Die Bundeswehr müsse weiterhin Ansprechpartner für die Zivilbevölkerung sei.

Zweifel wachsen auch in der Koalition
Auch in der SPD wird die deutsche Beteiligung am Anti-Terror-Einsatz OEF in Frage gestellt. Der SPD-Außenpolitiker Gert Weisskirchen sagte, man könne darüber nachdenken, keine deutschen Elitesoldaten mehr für den Anti-Terror-Einsatz bereit zu stellen. Allerdings müsse sich Deutschland darauf einstellen, dass die NATO neue Wünsche nach Unterstützung äußern könnte, wenn die KSK-Soldaten nicht mehr zur Verfügung gestellt würden.

Der SPD-Linke Ottmar Schreiner warnte vor einer "Irakisierung" Afghanistans. Sollte es in Afghanistan zu einer Entwicklung wie im Irak kommen, wäre ein Einsatz der Bundeswehr "völlig unvertretbar". Wichtig sei "eine nüchterne Bestandsaufnahme, welche zivilgesellschaftliche Perspektive es für Afghanistan gibt, die ein weiteres Engagement der Bundeswehr rechtfertigen würde".

Auch aus der CDU kommt Kritik am Militäreinsatz der USA im Krisengebiet. Der Bundeswehrverband spricht sich derweil für einen zielgerichteten internationalen Einsatz aller Mittel aus. Der CDU-Außenpolitiker Hartwig Fischer warnte ebenfalls: "Allein mit Waffen werden wir in Afghanistan keinen Frieden schaffen." Die Bundeswehr bemühe sich Hand in Hand mit zivilen Helfern um den Wiederaufbau des Landes. "Es wird Zeit, dass auch andere NATO-Partner, besonders die Amerikaner, dieses Konzept übernehmen", forderte Fischer.

Verbände fordern nationalen Dialog statt militärischer Aufrüstung
Der stellvertretende Vorsitzende des Bundeswehrverbands, Ulrich Kirsch, trat für eine neue internationale Initiative für Afghanistan ein. Die Staatengemeinschaft müsse "alle Manpower und alles Geld, was zur Verfügung steht, wirklich zielgerichtet in Afghanistan einsetzen", forderte er. Um die internationale Koordinierung abzustimmen, schlug Kirsch eine "Neuauflage" der Afghanistan-Konferenz vor. Dazu müsse aber auch mit dem afghanischen Präsidenten Hamid Karsai gesprochen werden. Nicht immer kämen die Gelder dort an, wo sie hingehörten. Mit dem Einsatz der Amerikaner und Kanadier in Afghanistan könne man wegen der vielen zivilen Opfer die "Herzen und Köpfe der Menschen" nicht gewinnen.

Nach Ansicht der Welthungerhilfe ist beim Aufbau in Afghanistan zu viel über militärische Optionen diskutiert worden. Bei den Beratungen über die Krisenlage vor Ort sei vergessen worden, dass die politischen Möglichkeiten noch bei weitem nicht ausgeschöpft sind, sagte der Generalsekretär der Hilfsorganisation, Hans-Joachim Preuß. "Es ist an der Zeit, in einen nationalen Dialog einzutreten mit allen Kräften in Afghanistan, die über Macht und Einfluss verfügen." Der Fortschritt sei langsam und müsse zäh erkämpft werden.