amnesty im domradio nach NGO-Gespräch mit Merkel

Lobbytreffen mit Hoffnungen

Gut drei Wochen vor dem G8-Gipfel in Heiligendamm hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag mit Vertretern von 20 Nichtregierungsorganisationen getroffen. amnesty-Generalsekretärin Barbara Lochbihler im domradio-Interview nach dem Treffen: "Unsere Hoffnungen sind gemäßigt. Die G8-Staaten geben gute Erklärungen ab und tun wenig."

 (DR)

"Straff organisiert"
Angela Merkel habe sich interessiert gezeigt an den Themen, die von den NGOs während des G8-Gipfels zwischen dem 6. und 10. Juni geplant seien. Das anderthalbstündige Gespräch sei sehr "straff organisiert" gewesen, so die Generalsekretärin der deutschen Sektion von amnesty international. Im Mittelpunkt hätten die beiden großen Themen Energie- und Klimapolitik und Afrika gestanden.

amnesty international habe sich vor allem dafür eingesetzt, Sudan und Darfur während des G8-Gipfels zu thematisieren. "Alles andere wäre unglaubwürdig."

Angst vor Verhältnissen wie in Genua
Zur Sicherheitsdebatte sagte Lochbihler: "Alle Nichtregierungsorganisationen haben die große Sorge, dass die Polizei mit zu großer Härte vorgeht. Wir wollen keine Verhältnisse wie in Genua."

Der G8-Gipfel 2001 ist vor allem wegen seiner Härte der italienischen Polizei gegenüber Demonstranten und gewaltbereiten Demonstranten in die Geschichte eingegangen. Damals wurde ein Demonstrant von einem Polizisten erschossen.

Bereits am Wochenende hatte die katholische Friedensbewegung pax christi im domradio davor gewarnt, "friedliche Kritiker zu Terroristen abzustempeln".  

Auch Kanzlerin setzt auf Deeskalation
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) setzt im Umgang mit Kritikern des G8-Gipfels in Heiligendamm offenbar auf eine Strategie der Deeskalation. Kanzleramtsminister Thomas de Maizière bekräftigte in einem Interview mit dem Magazin "Vanity Fair" die Dialogbereitschaft der Bundesregierung gegenüber den Globalisierungskritikern. Deutschland habe sich bemüht, mit den Kritikern ins Gespräch zu kommen, "vielleicht mehr als andere G8-Gastgeber", sagte de Maizière.

Außerdem bewerte er vieles nicht als Protest. "Es ist doch gut, wenn Herbert Grönemeyer und der Sänger von U2, Bono, ein großes Konzert zum G8-Gipfel geben, und Bono sich vorher mit der Bundeskanzlerin trifft, um sie in ihren Aktivitäten zum Klimaschutz und für Afrika zu unterstützen", betonte der Kanzleramtsminister.

Erwartungen an den Gipfel
"Wir wünschen uns, dass Heiligendamm für den Einstieg steht, die internationalen Finanzmärkte besser zu kontrollieren", sagte der Minister. Wenn es außerdem gelänge, "gemeinsam entschlossen auf den Klimawandel zu reagieren, dann wäre
das ein Fortschritt für die Menschheit", betonte er.

Oxfam: EU muss Freihandelsabkommen mit Afrika verschieben
Entwicklungsexperten haben die deutsche EU-Präsidentschaft aufgefordert, den Abschluss von Freihandelsabkommen mit Ländern aus Afrika, Karibik und Pazifik (AKP) zu verschieben. Die Entwicklungsländer bräuchten zur Vorbereitung mindestens zwei Jahre länger Zeit, erklärte die Entwicklungsorganisation Oxfam in Brüssel. Dort beriet am Dienstag der EU-Ministerrat unter Vorsitz von Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) darüber, wie die für Ende 2007 geplanten Abkommen ausgestaltet werden sollen.

Mehrere AKP-Unterhändler hätten darum gebeten, den Abschluss zu vertagen, erklärte die Organisation. "Wenn die Länder ihre Märkte zu schnell liberalisieren, werden sie der Chance beraubt, durch Handel die Armut zu verringern", sagte Oxfam-Europadirektor Luis Morago. Bedenklich sei auch, dass die Staaten Zugeständnisse bei Dienstleistungen und beim geistigen Eigentum machen sollten.

EU-Kommission und deutsche Ratspräsidentschaft hatten dagegen argumentiert, dass die Bestimmungen der Welthandelsorganisation (WTO) den Abschluss von Handelsabkommen bis Ende 2007 dringend erforderlich machen. Ende des Jahres läuft eine Ausnahmeregelung der WTO für die bisherigen Handelspräferenzen ab.

Hilfsorganisationen werfen EU Ausverkauf Afrikas vor
Hilfsorganisationen und entwicklungspolitische Initiativen haben der Europäischen Union vorgeworfen, den wirtschaftlichen Ausverkauf von Entwicklungsländern zu betreiben. In einem neuen Entwurf für Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPAs) mit den Staaten Afrikas, der Karibik und des Pazifik (AKP) dränge die EU auf umfassenden Freihandel, kritisiert das Bündnis "EPA2007" am Montag in Berlin. Subventionierte Produkte aus der EU bedrohten lokale Märkte in armen Ländern und gefährdeten die Lebensgrundlage von Kleinbauern.

Wenn billige EU-Waren die Märkte in armen Ländern überschwemmten, könnten die einheimischen Bauern ihre Produkte nur noch schwer absetzen, so das Bündnis. Millionen Menschen sei daher durch Armut bedroht. Im Namen der evangelischen Hilfswerke "Brot für die Welt" und Evangelischer Entwicklungsdienst (EED) warf Alexandra Burmann der deutschen EU-Ratspräsidentschaft Widersprüchlichkeit vor. Vor dem G-8-Gipfel in Heiligendamm werde eine faire Partnerschaft mit Afrika betont, während in der EU der Druck auf einige der ärmsten Länder verstärkt werde.

In dem Bündnis "EPA2007" sind rund 200 Organisationen aus Europa und Afrika zusammengeschlossen. In Deutschland gehören dem Bündnis unter anderem "Brot für die Welt", der Evangelische Entwicklungsdienst, das Kinderhilfswerk "terre des hommes" und Oxfam Deutschland an.