Nach Lula trifft Papst Zehntausende Jugendliche

Der Papst in Brasilien, Donnerstag

Am Donnerstagabend haben Zehntausende junge Brasilianer Papst Benedikt XVI. begeistert empfangen. Bei der Begegnung im Stil des Weltjugendtags rief er die jungen Katholiken am Donnerstagabend auf, die Zukunft der Kirche und der Gesellschaft selbst in die Hand zu nehmen. Zuvor hatte der Heilige Vater Staatspräsident Luis Inacio Lula da Silva getroffen.

 (DR)

Zehntausende Brasilianer heißen Papst willkommen
Für den Abend im Fußballstadion Paulo Machado de Carvalho waren junge Katholiken aus ganz Brasilien und aus anderen lateinamerikanischen Ländern angereist. Teilweise 15 Stunden lang hatten sich die Teilnehmer mit Singen und Tanzen auf die Begegnung mit dem Papst eingestimmt. Etwa 35.000 nahmen an der Feier im Innern des Stadions teil, viele verfolgten das Geschehen außerhalb auf Großbildschirmen.

Ohne auf das Konfliktthema Abtreibung einzugehen, hatten Lula und Benedikt XVI. am Mittag über gesellschaftliche Aufgaben und Ziele der Kirche gesprochen. Der Papst erinnerte etwa an das Engagement der Katholiken für die moralische Bildung der Jugend. Lula informierte über die Sozialpolitik Brasiliens im Kampf gegen Hunger und Armut.

Am Nachmittag sprach das katholische Kirchenoberhaupt mit Vertretern verschiedener christlicher Kirchen und anderer Religionen. Die Papstreise findet unter scharfen Sicherheitsvorkehrungen statt. Insgesamt sind mehr als 20.000 Sicherheitskräfte im Einsatz. Zu Zwischenfällen kam es bislang nicht.

Kritik an Äußerung zu Abtreibungsbefürwortern
Benedikt XVI. besucht noch bis Sonntag das größte katholische Land der Welt. In Brasilien leben 156 Millionen Katholiken. Höhepunkte der Reise sind am Freitag ein Großgottesdienst, zu dem mehrere hunderttausend Gläubige erwartet werden. Am Sonntag will der 80-Jährige die Vollversammlung der lateinamerikanischen Bischöfe im Marienwallfahrtsort Aparecida eröffnen. Dabei werden wichtige Weichenstellungen für die Kirche des katholikenreichsten Kontinents der Erde erwartet. Der vom Vatikan mit Lehrverbot belegte Theologe Loenardo Boff sagte in einem Interview, auch wenn die Befreiungstheologie nicht mehr so sichtbar sei wie früher, bleibe sie lebendig.

Für Kritik sorgte eine Äußerung des Papstes zu einer möglichen Exkommunikation von Abtreibungsbefürwortern. Benedikt XVI. hatte die Haltung der mexikanischen Bischöfe verteidigt, Politikern die Kommunion zu verwehren, wenn sie sich für eine Liberalisierung der Abtreibungsgesetze aussprächen. Der brasilianische Gesundheitsminister Jose Temporao wies die Papstworte als "unpassend und unangebracht" zurück. Während die Kirche Schwangerschaftsabbrüche klar ablehnt, wird in Brasilien derzeit eine Lockerung des strengen Verbots diskutiert.

Treffen mit Lula privatem Rahmen
Beim Treffen am Morgen in Sao Paulo erörterten Staatspräsident Luis Inacio Lula da Silva und der Papst die Bedeutung der Familie für die Gesellschaft sowie das Zusammenwirken von Kirche und Staat für den sozialen Frieden in einem von Gewalt geprägten Land. Lula bekräftigte zudem seinen Willen, sich für dieses Ziel einzusetzen, hieß es aus Regierungskreisen. Zu den weiteren Themen gehörten demnach auch Fragen der Jugend, der Bildung und der internationalen Solidarität. Der Staatspräsident habe seine christlichen Wertvorstellungen bekräftigt. Über die Haltung der Kirche zur Abtreibung habe man indessen nicht gesprochen.

Das Treffen fand im privatem Rahmen statt. Im Anschluss traten Benedikt XVI., Lula und seine Frau zu einem Fototermin vor die Presse. Als Geschenk überreichte das Staatsoberhaupt dem Papst ein eineinhalb Meter großes Gemälde mit einem Porträt Benedikt XVI.

Papst weist Kritik von Abtreibungsbefürwortern zurück
Der öffentliche Teil des Höflichkeitsbesuchs verlief in ausgesprochen informeller Atmosphäre. Als einem kleinen Jungen aus der Präsidentenfamilie der soeben überreichte Rosenkranz aus der Hand fiel, bückte sich Benedikt XVI. persönlich, um ihn wieder aufzuheben.

Unterdessen wies der brasilianische Gesundheitsminister Jose Temporao die Aussagen des Papstes zum Kommunionausschluss von Abtreibungsbefürwortern in Mexiko scharf zurück. Sie seien unpassend und unangebracht, sagte Temporao in Brasilia. Bestimmte Dogmen und Regeln einer Religion könne man nicht einer ganzen Gesellschaft vorschreiben. Der Papst hatte am Mittwoch die Meinung der mexikanischen Bischöfe verteidigt, Abtreibungsbefürwortern die Eucharistie zu verwehren.

Könnten Männer schwanger werden...
Der Minister sagte, derzeit trage die Diskussion um Abtreibung machistische Züge. Vor allem Frauen müssten sich äußern und auch gehört werden. Bei der Abtreibung seien Frauen die Leidenden; sie würden aber von Männern verurteilt, die auch die entsprechenden Gesetze machten: "Könnten Männer schwanger werden, wäre das Problem längst gelöst."

Im Verlauf des Donnerstagnachmittags (Ortszeit) trifft der Papst Vertreter anderer Konfessionen und Religionen vorgesehen. Am Abend will Benedikt XVI. mit brasilianischen Jugendlichen zusammentreffen. Zu der Veranstaltung im Stadion von Sao Paulo werden mehrere zehntausend junge Menschen erwartet.

Presse: Papst berührt von enthusiastischem Empfang
Brasiliens Presse stellte am Donnerstag den enthusiastischen Empfang des Papstes durch die Bevölkerung sowie den Einsatz von Benedikt XVI. für den Schutz des ungeborenen Lebens heraus. Das Blatt "Agora-Sao Paulo" titelte: "Der Papst begeistert die Gläubigen und freut sich mit ihnen über den ersten brasilianischen Heiligen". Gleich nach der Landung habe Benedikt XVI. vor Staatschef Luis Inacio Lula da Silva das "Recht auf Leben" sowie die Familie verteidigt.

"In Brasilien bekräftigt der Papst christliche Werte und verurteilt die Abtreibung", titelt das "Jornal da Tarde". Für den "Diario de Sao Paulo" hat Benedikt XVI. bereits bei seiner Ankunft klar und freimütig seine Meinung gesagt. In gutem Portugiesisch wende er sich gegen Abtreibung und weiche heiß diskutierten Themen nicht aus. Solidarität mit den Armen habe für ihn Vorrang.

Zulehner: Kein Zurück hinter "Option für die Armen"
Der 80-Jährige hatte am Mittwoch seinen fünftägigen Brasilienbesuch begonnen. Höhepunkte der Reise sind ein Großgottesdienst, zu dem mehrere hunderttausend Christen erwartet werden, sowie am Sonntag die Eröffnung des lateinamerikanische Bischofstreffens in Aparecida. Dabei werden wichtige Weichenstellungen für die Kirche des katholikenreichsten Kontinents der Erde erwartet.

Nach den Worten des Wiener Pastoraltheologen Paul Zulehner kann es dabei kein Zurück hinter die "Option für die Armen" geben. Bei allem Widerstand gegen die Befreiungstheologie habe der jetzige Papst 1984 als Präfekt der Glaubenskongregation selbst eine "Option für die Armen" vorgegeben, sagte Zulehner in einem Interview des Wiener "Kurier". Freiheit brauche auch Gerechtigkeit, sonst komme es zu sozialen Unruhen.

Die Papstreise im domradio
domradio begleitet in Kooperation mit Radio Vatikan die Reise täglich aktuell mit ausführlichen Hintergrundberichten.

Live überträgt domradio außerdem zwei Gottesdienste: am Freitag (11. Mai, Messfeier in Sao Paulo mit Seligsprechung von Frei Galvao) zwischen 14 Uhr und 16 Uhr sowie am Sonntag (13. Mai, Messfeier in Aparecida zur Eröffnung der V. Generalversammlung der Bischöfe aus Lateinamerika und der Karibik) zwischen 14.30 Uhr und 17 Uhr.

Ausführliche Informationen zum Programm der Papstreise können Sie hier nachlesen.

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