Stammzellen-Anhörung im Bundestag: Schavan lobt im domradio Rolle der Kirchen in der Debatte - Bischof Algermissen warnt

"Wichtige Ratgeber im Lebensschutz"

Der Umgang mit embryonalen Stammzellen in Forschung und Medizin - von Beginn an ein Thema, zu dem die Kirchen in Deutschland Stellung bezogen und die Diskussion maßgeblich beeinflusst haben. Vor der Stammzell-Anhörung des Bundestages am Mittwoch hat die Bundesministerin für Forschung und Bildung, Annette Schavan, nun im domradio-Interview die Rolle der christlichen Kirchen als "Ratgeber aus der Mitte der Gesellschaft heraus" gelobt.

Bundesministerin Annette Schavan: Hier im domradio-Interview (DR)
Bundesministerin Annette Schavan: Hier im domradio-Interview / ( DR )

Schavan: Das ist nicht irgendeine Lobby, sondern eine Kraft
"Hinter den großen christlichen Kirchen stehen viele Millionen Bürgerinnen und Bürger in Deutschland. Das ist nicht irgendeine Lobby, sondern eine Kraft, die wichtig für unsere Orientierung ist: um uns immer wieder an das zu erinnern, was Grundlage unseres Zusammenlebens ist." Die Kirchen wären mit verantwortlich dafür, dass sich Deutschland auf die Forschung mit adulten Stammzellen konzentriere.

In anderen Ländern sehe das anders aus, so Schavan. Die deutsche Position lasse sich aber nicht auf die Ebene der EU bringen. "Die Vielfalt der Rechtslagen ist groß. Wichtig ist uns, dass nicht mit europäischen Geldern Forschung mit embryonalen Stammzellen gefördert wird, zu der die so genannte verbrauchende Embryonenforschung notwendig ist - also die unmittelbare Zerstörung von Embryonen für die Stammzelllinien. Das haben wir durchgesetzt." Die entsprechende Verpflichtung der EU-Komission bezeichnete die 52-jährige als Erfolg - auch wenn ihr ein Stichtag lieber gewesen wäre. "Aber der ist nicht durchsetzbar."

Algermissen: Schon längst im Prozess eines Dammbruches
Vor einer Abschaffung der Stichtagsregelung im Stammzellgesetz hat Heinz Josef Algermissen gewarnt. Der Fuldaer Bischof fürchtet, dass damit eine zweite Stammzelldebatte eröffnet werde, "an deren Ende wohl die Lizenz stehen wird, auf frische embryonale Stammzellen zurückgreifen zu dürfen". Sogar der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, habe kürzlich eine Verschiebung des Stichtags um ein paar Jahre angeregt, bemängelte Algermissen.

Er fragte, ob in der öffentlichen Diskussion noch allgemein bekannt und akzeptiert sei, dass der Embryo, der in der Embryonenforschung getötet und ausgeschlachtet werde, ein wirklicher Mensch sei. Es müsse festgestellt werden, so der Bischof, "dass wir schon längst im Prozess eines Dammbruches stehen, an dessen Ende wir unweigerlich in Teufels Küche gelangen".

Nach der geltenden Gesetzeslage ist in der Bundesrepublik Forschung, bei der Embryonen zerstört werden, generell verboten. Deshalb dürfen in Deutschland auch keine menschlichen embryonalen Stammzellen hergestellt werden. Verwendet werden dürfen laut Stammzellgesetz nur Zellen, die vor dem Stichtag 1. Januar 2002 im Ausland entstanden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft dringt auf eine Abschaffung dieser Stichtagsregelung.