Keine Gnade für Klar - Überraschende Entscheidung zu Birgitt Hogefeld

"Nein" aus Schloss Bellevue

Bundespräsident Horst Köhler hat das Gnadengesuch des Ex-Terroristen Christian Klar abgelehnt. Klar beleibt damit noch bis mindestens 2009 im Gefängnis. Gründe für die Entscheidung des Bundespräsidenten wurden nicht genannt, doch mangelnde Reue war wohl ein Grund für die Ablehnung.

 (DR)

Die mit Spannung erwartete Entscheidung schlägt am Montag um 12.38 via Fax in den Redaktionen auf. In dürren Worten teilt Bundespräsident Horst Köhler mit, dass er die Gnadengesuche der Ex-RAF-Terroristen Christian Klar und Birgit Hogefeld ablehnt. Damit setzt das Staatsoberhaupt einer monatelangen Debatte ein Ende, die zuletzt in scharfen Drohungen der CSU gipfelte, im Falle einer Begnadigung Klars seine Wiederwahl zu torpedieren. Auch wenn der Bundespräsident nicht im Verdacht steht, mit seinem Nein politischem Druck nachgegeben zu haben, behält die bislang einzigartige Debatte einen schlechten Nachgeschmack.

Gründliche Arbeit
Köhler hat sich die Entscheidung sicher nicht einfach gemacht. Ebenso penibel wie alle seine Grundsatzreden bereitete er auch seine Entscheidung im Fall Klar vor. Der Bundespräsident holte Stellungnahmen des Bundesjustizministeriums und der Generalbundesanwältin ein, ein kriminalpsychologisches Gutachten sowie Gespräche mit Hinterbliebenen der Opfer liegen dem Beschluss zugrunde. Am vergangenen Freitag hatte sich Köhler gar mit Klar persönlich getroffen, wohl wissend, dass allein dieser Besuch wütende Reaktionen der Begnadigungsgegner auslösen musste.

Auch der Verweis auf das Rechtsempfinden der Bürger kann Köhler nicht beeindruckt haben. Dafür hätte er sich gar nicht erst mit Klar treffen müssen. Ausschlaggebend für das Nein des Bundespräsidenten dürfte in erster Line die persönliche Haltung Klars selbst gewesen sein, der nach 24 Jahren Haft keine Einsicht zeigte und sprachlos gegenüber den Opfern des RAF-Terrorismus blieb. Mit einer kapitalismuskritischen Grußbotschaft an die Berliner Rosa-Luxemburg-Konferenz im Januar hatte er den Verdacht auf sich gezogen, sich immer noch RAF-typisch an eine "revolutionäre Identität" zu klammern. Im persönlichen Gespräch mit Köhler konnte Klar diesen Eindruck offenbar nicht widerlegen.

Der heute 54-jährige bleibt damit noch bis mindestens Anfang 2009 im Gefängnis. 1985 war er wegen Beteiligung an den Morden an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Arbeitgeberpräsident Hanns-Martin Schleyer und dem Bankier Jürgen Ponto zu mehrfach lebenslänglicher Haft verurteilt worden. Sein Gnadengesuch hatte Klar schon bei Köhlers Amtsvorgänger Johannes Rau eingereicht.

Entscheidung zu Hogefeld sehr differenziert
Wie schwer Köhler seine Entscheidung fiel, belegt auch der Wortlaut des präsidialen Faxes. Während dem Bundespräsidenten für das endgültige Nein zu Klar ein Satz genügt, fällt seine Ablehnung bei Birgitt Hogefeld differenzierter aus. Köhler sehe sich nicht in der Lage, dem Gesuch "derzeit - im 14. Haftjahr - zu entsprechen". Der Bundespräsident werde jedoch "zu gegebener Zeit erneut und von Amts wegen über das Gesuch befinden".

Die Ex-RAF-Terroristin Birgitt Hogefeld hat wie kein anderes ehemaliges RAF-Mitglied Reue gezeigt. 1999 wegen mehrfachen Mordes und Mordversuchs zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, ist sie seit 1993 in Haft. Dass Hogefeld überhaupt ein Gnadengesuch gestellt hatte, war bislang gar nicht an die Öffentlichkeit gedrungen.

Auch wenn Köhler also offensichtlich unabhängig urteilte, das Amt des Bundespräsidenten dürfte durch die Drohungen aus der CSU - die damit offenbar von eigenen Problemen ablenken wollte - dennoch Schaden gelitten haben. Verfassungsrechtler Ernst Gottfried Mahrenholz brachte es in der "Leipziger Volkszeitung" so auf den Punkt: "Diese Kampagnen-Wortführer werden sich jetzt sagen: Druck auf den Bundespräsidenten nützt, und das ist bedauerlich."

Huber: Respekt vor der Entscheidung
Der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Bischof Wolfgang Huber, hat die Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler im Fall des früheren RAF-Mitglieds Christian Klar "mit Respekt" zur Kenntnis genommen.

Huber hatte schon im Februar in einer Kolumne für die Berliner Zeitung "BZ" die öffentliche Debatte um Christian Klar als "stillos" kritisiert. Der Bundespräsident werde prüfen, ob er sich zu einem solchen Schritt entschließen kann, betonte Huber damals: "Aber er braucht die Ergebnisse nicht zu kommentieren, zu denen er dabei kommt. Er braucht auch keine Ratschläge dafür, wie er vorgehen soll."

Beifall von Union und FDP
CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla begrüßte die Entscheidung. Er unterstrich, für ihn zähle zur Gnade auch die Reue. "Ich finde die Entscheidung gut", sagte Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU).

Der CSU-Vorsitzende Edmund Stoiber sagte, er begrüße die Entscheidung und halte sie "in der Sache für richtig". Sie stehe auch im Einklang mit dem Gerechtigkeitsempfinden "einer großen Mehrheit in Deutschland".

FDP-Chef Guido Westerwelle betonte: "Keine Gnade ohne Reue, das ist ein klarer Rechtsgrundsatz." Der Bundespräsident habe souverän eine "kluge und weise Entscheidung" getroffen. Auch Westerwelle verwies darauf, dass ein Serienmörder, der keine Reue zeige, nicht begnadigt werden dürfe.

SPD: "souveräne Entscheidung" des Bundespräsidenten
Die SPD hat die Entscheidung von Bundespräsident Horst Köhler, den Ex-RAF-Terroristen Christian Klar nicht zu begnadigen, als "souveräne Entscheidung" des Staatoberhauptes bezeichnet. Die sei eine "Entscheidung, die nur ihm zusteht", sagte SPD-Generalsekretär Hubertus Heil am Montag in Berlin. Warnende Äußerungen aus der CSU vor einer Begnadigung Klars bezeichnete er als "dreisten Versuch, den Bundespräsidenten zu nötigen". Er sei sich aber sicher, dass sich Köhler in seiner Entscheidung "davon frei gemacht" habe, betonte Heil. Mit den RAF-Terroristen müsse ebenso umgegangen werden wie mit anderen Tätern auch.

Die Links-Fraktion hat die Entscheidung gegen eine Begnadigung des früheren RAF-Terroristen Christian Klar mit Bedauern aufgenommen.

Portrait: Christian Klar
Klar galt als führender Kopf der "Zweiten Generation" der Terrorgruppe RAF. In Freiburg geboren und aus einer gutbürgerlichern Familie stammend, schloss er sich 1976 in seiner Studentenzeit der RAF an. Ein Jahr später - im "Deutschen Herbst" 1977 - war Klar an drei Attentaten beteiligt, die die Republik erschütterten.

Klar wurde jeweils als "Mittäter" beim Mord an Generalbundesanwalt Siegfried Buback und seinen zwei Begleitern, am Bankier Jürgen Ponto und am Arbeitgeberpräsidenten Hanns-Martin Schleyer sowie dessen vier Begleitern verurteilt. Klar bekam deshalb am 2. April 1985 vom Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart wegen neunfachen Mordes und elf Mordversuchen zunächst fünf Mal lebenslänglich plus 15 Jahre. 1992 erhielt Klar noch ein weiteres "lebenslänglich" - und zwar wegen eines Bankraubes in Zürich im Jahr 1979, bei dem eine Frau erschossen wurde.

Im Februar 1998 setzte das Oberlandesgericht Stuttgart Klars Mindestverbüßungsdauer auf 26 Jahre fest - wegen der besonderen Schwere der Schuld. Die Haftzeit des heute 54-jährigen endet damit frühestens am 3. Januar 2009.

Sein Gnadengesuch hatte Klar bereits 2003 beim damaligen Bundespräsidenten Johannes Rau gestellt, der aber nicht darüber entschied. Sein Nachfolger Horst Köhler beschloss nun, "von einem Gnadenerweis für Herrn Christian Klar abzusehen".

Klar war am 16. November 1982 festgenommen worden, als er sich einem Waffendepot der RAF näherte. Seit diesem Tag sitzt er ununterbrochen in Haft, seit dem 10. November 1989 in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal. Im Gegensatz zu anderen verurteilten RAF-Mitgliedern hat er sich bisher nicht eindeutig von seiner Vergangenheit distanziert oder öffentlich Reue gezeigt.

Anfang der 90er Jahre - als der damalige Bundesjustizminister Klaus Kinkel (FDP) einen Kurs der Versöhnung gegenüber der RAF einleitete - waren es Klar und die inzwischen aus der Haft entlassene Ex-RAF-Terroristin Brigitte Mohnhaupt, die sich gegen einen "Schmusekurs" mit dem Staat aussprachen.

1997 sagte Klar in seinem ersten Interview im Gefängnis, an eine Wiederbelebung einer Strategie des bewaffneten Kampfes denke er nicht. In einem weiteren Interview 2001 erklärte er jedoch, der Begriff Reue mache für ihn politisch keinen Sinn, solange der Kapitalismus so viele Opfer produziere.

In seiner ersten öffentlichen Äußerung seit seinem Gnadengesuch formulierte Klar dann erneut eine scharfe Kapitalismuskritik und redete sich damit möglicherweise selbst um seine Begnadigung. In einem Grußwort vom 13. Januar 2007 für die Rosa-Luxemburg-Konferenz in Berlin äußerte er die Hoffnung, dass die Zeit jetzt gekommen sei, "die Niederlage der Pläne des Kapitals zu vollenden und die Tür für eine andere Zukunft aufzumachen".

Baden-Württembergs Justizminister Ulrich Goll (FDP) stoppte daraufhin die von der JVA bereits geplanten Hafterleichterungen. Goll wollte die Vollzugslockerungen erst dann genehmigen, wenn auch ein zweites Gutachten die Ungefährlichkeit Klars bescheinigt. Dagegen ging Klar gerichtlich vor - und errang zumindest einen Teilerfolg. Mit Beschluss vom 20. April verpflichtete das Landgericht Karlsruhe die JVA Bruchsal "zur Gewährung von ersten begleiteten Ausgängen". Doch bislang ist es noch nicht dazu gekommen. "Begleitete Ausgänge haben noch nicht stattgefunden", sagte der stellvertretende Leiter der Justizvollzugsanstalt (JVA) Bruchsal, Klaus Dagenbach, am Montag. Dazu werde es erst "in absehbarer Zeit" kommen.

Goll will nach wie vor "die weitergehenden Lockerungsschritte, wie unbegleitete Ausgänge, Urlaub oder gar Freigang" von einer zweiten Begutachtung durch einen Sachverständigen abhängig machen. Er hat dazu eine weitere Expertise beim Direktor des Berliner Instituts für Forensische Psychiatrie, Hans-Ludwig Kröber, in Auftrag gegeben, deren Ergebnis im August erwartet wird.

Ein erstes Gutachten des Freiburger Kriminologen Helmut Kury kam im Januar 2007 kam zu dem Ergebnis, dass eine Rückfallgefahr als "sehr niedrig" einzustufen sei. Klars Hamburger Anwalt Heinz-Jürgen Schneider sagte am Montag, das "Zerrbild", das die Medien von Klar zeichneten, sei "absolut unzutreffend". Von einem "Hardliner" könne nicht die Rede sein.
Nikolaus Sedelmeier und Norbert Demuth (ddp)

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