Ethikrat verteidigt sich: Kritiker lesen Stellungnahme nicht

Kritik an Vorschlägen zu Organspenden

Der Nationale Ethikrat hat die breite Kritik an seinem Votum zu Organspenden zurückgewiesen. Sie habe den Eindruck, dass mancher Gegner die Stellungnahme gar nicht gelesen habe, erklärte die Vorsitzende Kristiane Weber-Hassemer am Donnerstag in Berlin. Zustimmung erhielt der Ethikrat unterdessen von einzelnen Abgeordneten aus SPD und Linkspartei. Im domradio-Interview
verurteilt der Theologe Dieter Emmerling die Pläne des Ethikrats.

 (DR)

Der Ethikrat hatte sich angesichts des andauernden Mangels an Spenderorganen für eine Neuregelung des Transplantationsgesetzes ausgesprochen. Er will die bislang geltende erweiterte Zustimmungs- durch eine erweiterte Widerspruchsregelung ablösen und damit zu mehr Spenderorganen kommen. Der Staat solle zudem für eine breite Information der Bürger sorgen. Bei einer Widerspruchslösung dürfen Organe entnommen werden, wenn der Verstorbene zu Lebzeiten nicht ausdrücklich widersprochen hat.

Weber-Hassemer betonte, es gehe nicht um eine Widerspruchslösung, wie sie in anderen Ländern gelte. Vielmehr setze das Gremium auf ein "Stufenmodell" mit umfassender Information. Hilfestellung durch staatliche Stellen solle es den Menschen möglich machen, Zustimmung oder Ablehnung zu erklären. Das drängende Problem des Organmangels erfordere nach Überzeugung des Ethikrats neue Lösungswege, betonte die Vorsitzende. Kritiker aller Fraktionen und die Bundesärztekammer hatten dem Gremium am Mittwoch vorgeworfen, das Selbstbestimmungsrecht des Menschen einzuschränken und ihn verzwecken zu wollen. Zudem sei der Vorschlag letztlich unpraktikabel.

Lob von Abgeordneten: Erklärungslösung
Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Carola Reimann, lobte den Vorschlag am Donnerstag gegenüber mehreren Zeitungen (Donnerstag). Der Staat könne von den Bürgern fordern, sich für oder gegen eine Organspende zu erklären. Sie schlug vor, die Bereitschaft oder Ablehnung verpflichtend auf der ab 2008 geplanten elektronischen Gesundheitskarte abzuspeichern.

Martina Bunge von der Linksfraktion bewertete den Vorschlag des Ethikrats als "Erklärungslösung". Er sei diskussionswürdig. Die riesige Diskrepanz zwischen der Zahl der für Transplantationen benötigten Organe und den tatsächlichen Organspenden sei nicht hinnehmbar.

Moraltheologe Reiter kritisiert Ethikrat
Reiter sagte dagegen, die am Dienstag veröffentlichte Stellungnahme laufe im Prinzip auf eine ethisch sehr bedenkliche Widerspruchslösung hinaus. Damit werde in unzulässiger Weise das fortwirkende Persönlichkeitsrecht des Verstorbenen überspielt.

Der Theologe beklagte einen Trend zur Vereinnahmung des Einzelnen durch die Gesellschaft. Er plädierte dafür, schon den Ansätzen einer staatlichen Reglementierung der Privatsphäre entgegenzuwirken.

Reiter hob hervor, dass das kirchliche Lehramt der Organspende grundsätzlich positiv gegenüberstehe. Organspende sei eine "Liebespflicht". Allerdings müsse sie auf absoluter Freiwilligkeit beruhen.