Oettinger sieht in der CDU "keine innerparteiliche Krise"

Schönbohm attackiert Merkel - Öffentliche Rüge "schädlich" für die Partei

Im rechtskonservativen Lager der Union regt sich Unmut über das Verhalten der Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel in der Oettinger-Affäre. Brandenburgs Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) warf Merkel am Dienstag vor, der Partei geschadet zu haben. Auf Druck der CDU-Spitze hatte sich der baden-württembergische Ministerpräsident Günther Oettinger am Montag von seiner umstrittenen Äußerung distanziert, sein verstorbener Vorgänger Hans Filbinger sei ein Gegner des NS-Regimes gewesen.

 (DR)

Schönbohm kritisierte Merkel in ungewöhnlich scharfer Form: "Unsere Leute wollen sehen, ob wir auch noch zusammenstehen, wenn uns der Wind einmal stark ins Gesicht weht". Die öffentliche Rüge eines CDU-Ministerpräsidenten durch die eigene Bundesvorsitzende habe bislang noch nie zum Stil der Partei gehört. "Das war in der Sache schädlich", betonte Schönbohm und fügte hinzu: "Ich habe den Eindruck, dass manche, die Oettinger jetzt Vorwürfe machen, sich mit der Geschichte nicht so befasst haben".

Oettinger selbst sieht in der CDU "keine innerparteiliche Krise" wegen der Diskussion über seine Trauerrede für Filbinger. Sein Verhältnis zu Merkel nannte er "voll intakt". Die Debatte sei am Montag ohne Nachwirkungen beendet worden. Die Südwest-CDU habe "den Ablauf akzeptiert". Die Kanzlerin wollte sich am Dienstag zu dem Fall nicht mehr äußern.

Oettinger steht auch in der CDU offenbar weiter unter Druck. Oettinger müsse sich im geplanten Gespräch mit dem Zentralrat der Juden in Deutschland noch einmal deutlich von seinen Äußerungen distanzieren und entschuldigen", sagte ein CDU-Präsidiumsmitglied und warnte: "Einen weiteren Lapsus darf er sich nicht mehr leisten." Der baden-württembergische CDU-Generalsekretär der CDU, Thomas Strobl, verteidigte Oettinger hingegen. Dieser habe auch die Empfindungen der Hinterbliebenen Filbingers bedenken müssen.

Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) warnte die CDU davor, zur Tagesordnung überzugehen. Es bleibe "die Erinnerung daran, dass ihm aus den Reihen der baden-württembergischen CDU jubelnd zugestimmt worden ist."

Auch nach Ansicht von FDP-Generalsekretär Dirk Niebel ist die Trauerrede Oettingers vor allem ein CDU-internes Problem. Die Union täte gut daran, die Rolle einiger ihrer Vertreter in der Zeit des NS-Regimes jetzt endlich aufzuarbeiten.

Links-Fraktionsgeschäftsführer Ulrich Maurer sagte: "Die 'Affäre Oettinger' ist noch lange nicht beendet". Die Angriffe Schönbohms auf die Bundeskanzlerin offenbarten die innere Zerrissenheit der Union und zeigten "eindrucksvoll, welch Geistes Kind große Teile der CDU wirklich sind".

Der baden-württembergische Grünen-Fraktionschef Winfried Kretschmann forderte die CDU ebenfalls auf, "die längst fällige Aufarbeitung der Rolle Filbingers während des NS-Regimes nun endlich zu beginnen und ihr Geschichtsbild zur NS-Zeit zu klären".

Im Bundesarchiv in Berlin liegt der von Filbinger handschriftlich ausgefüllte NSDAP-Mitgliedsantrag sowie seine Mitgliedskarte vor. Damit seien die Zweifel an Filbingers Mitgliedschaft ausgeräumt, betonte der Leiter der Abteilung Deutsches Reich des Bundesarchivs, Hans-Dieter Kreikamp.
Mehrheit der Bürger unterstützt Merkels Vorgehen gegen Oettinger
Bundeskanzlerin Angela Merkel hat für ihr Vorgehen in der Affäre um den baden-württembergischen Ministerpräsidenten Günther Oettinger (beide CDU) großen Rückhalt in der Bevölkerung. In einer Emnid-Umfrage im Auftrag des Nachrichtensender N24 äußerten 62 Prozent die Ansicht, dass Merkel angemessen auf die umstrittene Trauerrede Oettingers für seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger reagiert habe. Nur 18 Prozent halten die öffentliche Kritik der CDU-Chefin an Oettinger für überzogen. Von den Unions-Wählern finden sogar 72 Prozent Merkels Reaktion richtig. Bei den SPD-Anhängern fanden dies 71 Prozent.

Einen Rücktritt Oettingers hielten 51 Prozent für nicht angemessen. 33 Prozent sagten, dass er sein Amt aufgeben müsste.

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