Reformprozesse in den Diözesen - eine Zwischenbilanz

Die fetten Jahre sind vorbei - noch immer

Eine gemeinsame Position zur Familien- und Rentenpolitik finden, die Entwicklung der digitalen Medien diskutieren, neue eigene Themen bestimmen - Gesprächsstoff genug für die deutschen Bischöfe bei ihrer Herbstvollversammlung. Mit der größten Spannung blicken aber wohl die deutschen Gemeinden auf die Ergebnisse der Studientagung am Mittwoch: die Zwischenbilanz der Reformen der vergangenen Jahre.

 (DR)

"Wer nur blind spart, hat schon verloren"
Die fetten Jahre sind vorbei. Wie Münsters Bischof Reinhard Lettmann können sich die meisten katholischen Bischöfe in Deutschland noch daran erinnern, wie in früheren Jahrzehnten regelmäßig neue Gemeinden gegründet, neue Kirchen gebaut und mehr Mitarbeiter für neue Dienste eingestellt wurden. Derzeit gibt es andere Nachrichten: Pfarreien fusionieren, Kirchengebäude werden verkauft und umgewidmet, die Zahl der Gottesdienstbesucher und die Zahl der Priester zeigen deutlich nach unten.

"Unsere Kleider sind zu groß geworden", heißt es landauf landab.
In den 27 Bistümern ist das Sparen und das Zurückschneiden von Strukturen zum Alltag geworden. Auch vor betriebsbedingten Kündigungen macht die Kirche nicht Halt. Doch "wer nur blind spart, hat schon verloren", formulierte vor drei Jahren der Direktor der Münchener Filiale der Unternehmensberatung von McKinsey, Thomas von Mitschke-Collande. Wenn Sparen zum Dauerthema werde, drohe eine Abwärtsspirale: frustrierte Kirchenmitarbeiter, demotivierte Ehrenamtliche, mehr Kirchenaustritte - und weiter sinkende Einnahmen.

Themen genug also für die 71 Bischöfe und Weihbischöfe, die sich ab Dienstag zu ihrer Frühjahrsvollversammlung im schwäbischen Kloster Reute treffen und am Mittwoch bei einem Studientag eine Zwischenbilanz der Reformen ziehen wollen. Dabei soll es dann um Finanzen, Fusionen und Strukturen gehen. Die Bischofskonferenz will die pastoralen Chancen und Perspektiven des Reformprozesses ausfindig machen. Fest steht, dass die Kirchengemeinden als Orte der Seelsorge eine zentrale Bedeutung behalten sollen - auch wenn neue Formen wie die City-Seelsorge oder die spezielle Seelsorge für bestimmte Gruppen größere Bedeutung gewonnen haben.

"In der Krise liegt eine Chance"
Einer, der besonders hart reformieren muss und deshalb in Reute von seinen Erfahrungen berichten wird, ist Essens Bischof Felix Genn. Seit 1958 verlor das Ruhrbistum ein Drittel der Mitglieder. 259 Gemeinden müssen sich bis Ende 2008 in 42 Pfarreien zusammenschließen. 96 Kirchengebäude gibt das Bistum auf, 272 bleiben erhalten.

"In der Krise liegt eine Chance", formuliert Genn trotzdem und lässt Weltuntergangsstimmung nicht zu. Jeder Pfarreiverbund erhält einen Verwaltungsleiter, der Finanz- und Personalaufgaben erledigt, die Pfarrer werden freier für die Seelsorge. "Das empfindet mancher Seelsorger als Machtverlust, auch wenn er vorher über viel Arbeit geklagt hat", so Genn. Der Bischof ist sich sicher, dass auch die Laien mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Verschiedene Ansätze
Nicht alle Diözesen schneidern die Gemeindestruktur so radikal neu wie das großstädtisch geprägte Bistum Essen. Das weit ländlicher strukturierte Erzbistum Paderborn will die Gemeinden in den oft kleinen Orten möglichst erhalten, auch um die aktiven Ehrenamtlichen und die lebendigen Gemeinschaften nicht vor den Kopf zu stoßen. Das westfälische Erzbistum setzt auf Verbünde, in denen selbstständig bleibende Gemeinden mehr zusammenarbeiten.

Jeder Verbund hat einen Priester als Leiter, dem weitere Geistliche und Gemeindereferenten zur Seite stehen. Das Erzbistum Köln lässt den Gemeinden die Wahl, ob sie zu Großgemeinden fusionieren oder Formen der Selbstständigkeit erhalten wollen.

Allen Modellen gemeinsam ist, dass Kirchturmdenken überwunden werden muss. Fest steht auch, dass die Priester mehr Menschen betreuen müssen. Ein heiß diskutiertes Thema ist der Grundsatz, dass nur Priester Letztverantwortung für die Seelsorgeeinheiten tragen können. In einem Beitrag der Freiburger "Herder Korrespondenz" appelliert der Vorsitzende der Konferenz der deutschsprachigen Pastoraltheologen, der Münsteraner Franziskaner Udo Schmälzle, an die Bischöfe, auch Laien mit der Leitung von Gemeinden zu beauftragen. Das sei eine gute biblische Tradition.