Die Gesundheitsreform ist in Kraft - Was sich nun ändert

Neue Ära in der Sozialgesetzgebung oder Aprilscherz?

Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) sieht mit dem Start der Gesundheitsreform am 1. April eine "neue Ära in der
Sozialgesetzgebung" anbrechen. Andere halten das größte Projekt der großen Koalition eher für einen "Aprilscherz". Wichtige Teile der Reform wie der Gesundheitsfonds samt Zusatzbeiträgen treten freilich erst 2009 in Kraft. Die Nachrichtenagentur ddp gibt einen Überblick über die jetzt wirksamen Neuerungen.

 (DR)

VERSICHERUNGSPFLICHT: Schrittweise wird der Versicherungsschutz für
alle eingeführt. Wer seinen Schutz in der Gesetzlichen Krankenversicherung verloren hat oder noch gar keinen hatte, erhält Zugang zu einer gesetzlichen Versicherung.

SELBSTSTÄNDIGE: Für freiwillig versicherte Selbstständige mit geringem Einkommen wird der Mindestbeitrag von 1837,50 Euro auf 1225 Euro abgesenkt. Daraus ergibt sich ein Monatsbeitrag von etwa 170 bis 180 Euro je nach Kasse.

BEITRAGSRÜCKSTAND: Bei wiederholtem Nichtzahlen der Beiträge ruhen die Leistungsansprüche. Ausgenommen ist die Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzen sowie Schwangerschaft und Mutterschaft.

WAHLTARIFE: Die Versicherten können günstigere Tarife wählen, die jedoch mit Nachteilen verbunden sind. Alle gesetzlichen Kassen müssen Wahltarife für besondere Versorgungsformen anbieten, etwas Hausarzttarife oder Chronikertarife. Freiwillig ist das Angebot von Selbstbehalttarifen, Tarifen für die Nichtinanspruchnahme von Leistungen und Kostenerstattungstarifen. Bei letzteren gilt eine Mindestbindungsfrist von drei Jahren. Vor Ablauf dieser Zeit kann die Kasse nur in Härtefällen, etwa bei Arbeitslosigkeit, gewechselt
werden. Prämienzahlungen an Versicherte dürfen nicht mehr als 20 Prozent des Jahresbeitrags, höchstens jedoch 600 Euro betragen.

KRANKENHÄUSER: Patienten mit bestimmten schweren oder seltenen Krankheiten wie Krebs, Mukoviszidose oder Aids wird der Zugang zur ambulanten Behandlung im Krankenhaus erleichtert.

REHABILITATION: Die ambulante und stationäre medizinische Rehabilitation wird Pflichtleistung der Kassen. Der Rechtsanspruch umfasst insbesondere auch Reha-Maßnahmen für ältere Menschen.

MUTTER-KIND-KUREN: Medizinische Vorsorgemaßnahmen und Rehabilitation
für Mütter und Väter sind künftig ebenfalls keine freiwilligen Leistungen mehr.

IMPFUNGEN: Auch empfohlene Impfungen werden Pflichtleistung der
Krankenkassen.

KLINIKORGANISATION: Die Einführung eines Anspruchs auf ein
"Versorgungsmanagement" bei der Entlassung aus dem Krankenhaus soll
die Anschlussversorgung durch Pflegedienste und niedergelassenen Ärzten verbessern.

HÄUSLICHE PFLEGE: Häusliche Pflege kann künftig auch in  Wohngemeinschaften, Schulen, Kindergärten und Behindertenwerkstätten
erbracht werden.

HILFSMITTEL: Bei der Versorgung mit Hilfsmitteln wie Rollstühlen oder
Gehhilfen wird der Wettbewerb gestärkt, insbesondere durch Ausschreibungen.

VERTRAGSFREIHEIT: Die Krankenkassen erhalten größere Vertragsfreiheiten, indem sie auch Einzelverträge mit Leistungserbringern abschließen oder sich zu Arbeitsgemeinschaften zusammenschließen können.

SELBSTVERSCHULDUNG: Die Krankenkassen sollen die Versicherten an
Folgekosten für medizinisch nicht notwendige Maßnahmen, wie
Schönheitsoperationen oder Tätowierungen angemessen beteiligen.

STERBEBEGLEITUNG: Schwerstkranke erhalten einen Anspruch auf eine spezielle ambulante Versorgung. Ambulante Teams aus ärztlichem und pflegerischem Personal sollen ihnen ein würdevolles Sterben mit wenig Schmerzen ermöglichen. Auch in Pflegeheimen wird eine ambulante
Hospizbetreuung möglich.

INTEGRIERTE VERSORGUNG: Besonders gefördert werden integrierte
Versorgungsangebote, die die flächendeckende Behandlung von
Volkskrankheiten wie Diabetes mellitus zum Ziel haben.

KOSTEN-NUTZEN-BEWERTUNG: Künftig wird geprüft, ob die Preise für
Arzneimittel in einem angemessenen Verhältnis zu ihrem therapeutischen Nutzen stehen.

ZWEITMEINUNG: Bestimmte sehr teure beziehungsweise risikoreiche
Arzneimittel dürfen nur noch nach Einholung der Meinung eines zweiten Arztes verordnet werden.

EINZELABGABE: Apotheken können künftig auch einzelne Tabletten an Patienten mit entsprechender Gebrauchsinformation abgeben.

(Quelle: Bundesgesundheitsministerium)