Für Merkel geht es um den Erhalt des europäischen Wertemodells

50 Jahre "Römische Verträge"

Beim Projekt einer EU-Verfassung geht es nach Einschätzung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) um den Erhalt des europäischen Lebens-, Sozial- und Wertemodells. Ein Mitgliedsland allein könne die gegenwärtigen Herausforderungen nicht bewältigen, sagte Merkel in einem Interview der "Kölnischen Rundschau". Es gebe durchaus die Chance, im Juni beim Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs einen Fahrplan für das weitere Vorgehen zu verabschieden.

 (DR)

Die "Berliner Erklärung" zum 50. Jahrestag der europäischen Einigung solle die historische Leistung der EU als Antwort auf Krieg und Schrecken darstellen, so die Bundeskanzlerin. Als Herausforderungen für die Zukunft würden darin die Bewahrung des Wohlstands in Zeiten der Globalisierung, die Bekämpfung von Terrorismus und Gewalt sowie der Klimawandel genannt. Die Erklärung soll am Sonntag in Berlin von ihr als der amtierenden EU-Ratspräsidentin, von EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso und von Europaparlamentspräsident Hans-Gert Pöttering unterzeichnet werden.

Keine Erwähnung des jüdisch-christlichen Erbes
Die Erklärung soll an den 50. Jahrestag der Unterzeichnung der Römischen Verträge erinnern. Nach Informationen der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) enthält der jüngste Entwurf keine Erwähnung des christlich-jüdischen Erbes. Gestritten werde noch darum, ob eine Formulierung erhalten bleibe, in der es heißt, eine Erneuerung der gemeinsamen Grundlagen vor den Europawahlen 2009 sei das gemeinsame Ziel. Dagegen gebe es Vorbehalte bei Staaten, die der umstrittenen EU-Verfassung kritisch gegenüberstünden, hieß es in Brüssel. Ein endgültiger Text soll nach Angaben aus EU-Kreisen am Donnerstagabend vorliegen. Die deutsche EU-Präsidentschaft will mit der Berliner Erklärung den EU-Verfassungsprozess wiederbeleben.

Europaparlaments-Vizepräsident Ingo Friedrich forderte unterdessen eine Rückbesinnung auf die gemeinsamen christlich-abendländischen Wurzeln Europas. Zugleich müsse das christlich-jüdische Wertefundament der EU wieder stärker in den Mittelpunkt gerückt werden, sagte er in Brüssel. Das sei von zentraler Bedeutung für die gesamte europäische Einigungspolitik.

Der CDU-Europaabgeordnete Elmar Brok sieht Chancen, den bisherigen Entwurf der EU-Verfassung weit gehend unverändert zu lassen. Den kritischen Ländern müsse man klar machen, dass bei einem erneuten Scheitern mittelfristig Vorschläge für ein Kerneuropa wieder auf den Tisch kämen, sagte er in Brüssel. Die Nettozahler könnten dann kaum verstehen, warum sie die EU finanzieren sollen, wenn sie ihre politischen Ziele nicht erreichen könnten. Brok plädierte dafür, den dritten Teil über die Funktionsweise der EU aus dem Verfassungsvertrag herauszunehmen. Dagegen müsse die Grundrechtecharta rechtsverbindlich werden. Der CDU-Politiker forderte, beim EU-Gipfel im Juni eine Regierungskonferenz einzusetzen, um die notwendigen Änderungen zu beschließen.

Ein soziales Europa mahnte der katholische Sozialbischof Reinhard Marx an. In der europäischen Wirtschaftspolitik müsse eine Ordnungspolitik entwickelt werden, die das Soziale mit im Blick habe, betonte Marx in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Europa müsse das Modell der Sozialen Marktwirtschaft wahren und fortentwickeln.

Die Europäische Union (EU) habe viel zum Wohlstand der Menschen in Europa beigetragen, sagte Marx. Er habe aber manchmal den Eindruck, dass Freiheit zu sehr als losgelöst von aller Verantwortung für das Gemeinwohl verstanden werde. Für die katholische Soziallehre sei dagegen Freiheit immer eine Freiheit in Verantwortung, so Marx. Notwendig sei das Prinzip der Solidarität.