G8-Umweltgipfel in Potsdam: Franz Alt kritisiert Politik der Verbote

"Das ist doch alles Pipifax"

Vor dem Treffen der G8-Umweltminister in Potsdam hat der Umweltjournalist und Verfechter alternativer Energien, Franz Alt, eine Politik kritisiert, die meint, sie könne nur mit Verboten Klimaschutz betreiben. Die aktuellen Überlegungen in der großen Koalition seien "Pipifax". Die SPD hänge immer noch "am Tropf der Kohle", die CDU an dem "der Atomwirtschaft" anstatt vorhandene Konzepte alternativer Energien zu realisieren. Alt erwartet vom Potsdamer Klimagipfel keine Ergebnisse.

 (DR)

Den Politikern falle meist nur "Verbot, Verbot, Verbot ein, also Glühbirnen-Verbot, Tempolimit-Verbot. Also das alles ist ein bissel pipifatz. Hier nicht mehr über die Chancen geredet, die diese 100 % solare Energiewende hat. Und zum Thema Tempolimit: "Die ganze Welt hat ganz normale Geschwindigkeiten von 110 - 130, warum machen wir das nicht einfach, oder haben es nicht schon lange gemacht? Das müsste selbstverständlich sein. Stattdessen machen wir auf 80% der deutschen Autobahnen immer wieder jeweilige andere Geschwindigkeiten. Sehr deutsch, sehr umständlich, ziemlich dumm, aber keine große Lösung, die jetzt angegangen wird."

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Gabriel: Herausforderungen der Erderwärmung wie Kalter Krieg
Vor dem Treffen der G8-Umweltminister in Potsdam hat Ressortchef Sigmar Gabriel (SPD) die Herausforderungen der Erderwärmung mit denen des Kalten Krieges verglichen. So wie das Wettrüsten damals mit einer Sicherheitspartnerschaft überwunden worden sei, könne der Klimaschutz heute nur in internationaler Zusammenarbeit gelingen. Davon will Gabriel in Potsdam vor allem die Schwellenländer Indien, China, Brasilien, Mexiko und Südafrika überzeugen.

In der Zeit der atomaren Hochrüstung sei deutlich geworden, dass "niemand Sicherheit alleine definieren" könne, sagte Gabriel am Donnerstag in Berlin. Der Umweltminister fügte hinzu, auch beim Klimaschutz "werden wir international zusammenarbeiten müssen, weit stärker als wir das bisher getan haben".

Vom zweitägigen Treffen der Potsdamer Umweltministerkonferenz der großen Industrieländer und Russland, an dem erstmals auch die großen Schwellenländer teilnehmen, seien keine konkrete Beschlüsse zu erwarten. Das Treffen müsse aber "in aller Offenheit" unterschiedliche Interessen beim Arten- und Klimaschutz benennen und damit einen Prozess vorantreiben, der über den G8-Gipfel in Heiligendamm in den UN-Klimagipfel in Bali münde, sagte Gabriel.

Dort gelte es im November, "Grundlagen für eine Verhandlungsstruktur" zu schaffen, wie der Klimaschutz nach Auslaufen des Kyoto-Protokolls im Jahr 2012 vorangebracht werden könne. Internationale Ziele müssten eine Reduzierung der gefährlichen Treibhausgase um 30 Prozent bis 2020 und an die 80 Prozent bis zur Mitte des Jahrhunderts sein.

UN-Umweltbehördenchef Achim Steiner betonte, um mangelndes Vertrauen in internationale Lösungen zurück zu gewinnen, müsse in Potsdam anerkannt werden, wie viel die Schwellenländer bereits für den Klimaschutz geleistet hätten. Brasilien etwa habe die Entwaldung am Amazonas um 52 Prozent reduziert.

Ohne die Einigung des Brüsseler EU-Gipfels zur verpflichtenden CO2-Reduzierung "wären wir in Heiligendamm oder in Bali sicherlich nicht vorangekommen", lobte Steiner. Nun gelte es, die internationale "Lähmung" beim Klimaschutz nach dem Motto "Wir können nicht mehr machen, weil ihr nicht mehr macht", zu überwinden.

Steiner forderte Deutschland auf, dem britischen Beispiel zu folgen und ambitionierte Klimaschutzziele für 2050 verbindlich festzuschreiben. Der Londoner Vorstoß, den Kohlendioxid-Ausstoß bis dahin um 60 Prozent zu verringern, sei "ein Vorbild für alle Industriestaaten". Zugleich stellte Steiner klar, dass er keineswegs ein Tempolimit für deutsche Autobahnen gefordert habe. Eine Geschwindigkeitsbegrenzung könne aber dazu führen, dass "der Wettbewerb nach noch schnelleren Autos abnimmt".

Gabriel warnte davor, das Thema Klimaschutz zu zerreden. Es bestehe die Gefahr, die Probleme durch zu viele unterschiedliche Vorschläge zu verniedlichen. So halte er etwa ein Tempolimit für überflüssig. Konzentrieren solle man sich statt dessen auf die Umstellung auf Erneuerbare Energien.

Die deutschen Schüler sollen sich jetzt intensiv mit der Klimaproblematik befassen. 6000 Medienpakete zum Thema werden in der kommenden Woche an Schulen verteilt. Dazu gehört nach Angaben Gabriels auch der "Oscar"-prämierte Film "Eine unbequeme Wahrheit" des früheren US-Vizepräsidenten Al Gore auf DVD.