BGH ermutigt zum Eintreten gegen Neonazis und warnt diese vor Rechtsmissbrauch

Höchstrichterliche Anleitung zum Protest gegen Rechts

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit seinem Urteil im Hakenkreuz-Streit eine deutliche Mahnung an Rechtsradikale gesandt. Selbst wenn sie nun mit großem Erfindungsreichtum versuchten, das Hakenkreuz zu verfremden, um es für ihre Zwecke zu benutzen, würden sie damit nicht durchkommen. "Wir haben eine hohe Hürde geschaffen, um Missbrauch zu verhindern", sagte der Vorsitzende Richter des Staatsschutzsenats des BGH, Walter Winkler, am Donnerstag bei der Urteilsverkündung in Karlsruhe.

 (DR)

Laut Urteil darf das Hakenkreuz nur dann in einer Darstellung straflos verwendet werden, wenn das entsprechende Symbol "offenkundig und eindeutig" die Gegnerschaft zum Nationalsozialismus zum Ausdruck bringt. Das heißt: Die Ablehnung der NS-Ideologie muss "auf Anhieb" und "unmissverständlich" für den Betrachter erkennbar sein. Nur dann ist Straffreiheit gegeben. Mit einer "nur angedeuteten Distanzierung" vom Nationalsozialismus werde sich der BGH "nicht abspeisen lassen", betonte Richter Winkler.

Letztlich befürchtet der Staatsschutzsenat des BGH - anders als vor ihm das Landgericht Stuttgart - aber gar nicht, Rechtsextreme könnten nun ihrerseits derart abgeänderte Kennzeichen verwenden. Es sei "nicht recht vorstellbar", dass Rechtsradikale nun in Springerstiefeln und mit durchgestrichenen Hakenkreuzen am Arm marschieren werden, sagte Winkler. Der BGH ist überzeugt davon, dass Rechtsextreme solche Darstellungen, in denen Hakenkreuze in gegnerischer Zielrichtung verwendet werden, als Verhöhnung der ihnen "heiligen" Symbole empfinden und selbst nicht verwenden würden.

Winkler wies aber auch darauf hin, dass ein solcher hypothetischer Fall "jetzt nicht zu entscheiden" sei. Falls dies doch einmal der Fall sein würde, würden die Rechtsextremisten wohl doch bestraft werden. Zwar nicht wegen des Anti-Nazi-Symbols, sondern wegen der "Begleitumstände", unter denen sie das verfremdete Hakenkreuz tragen - und die wären dann wohl eindeutig. Dadurch würde die angebliche NS-Gegnerschaft wieder "aufgehoben", sagte Winkler.

"Niemand kann sich darauf verlassen, dass er hier straffrei ausgehen wird", mahnte der Vorsitzende Richter. Bundesanwalt Gerhard Altvater sagte, der BGH habe zwar nicht für alle möglichen Fälle ein Urteil gefällt. Mit dem nun gefundenen Spruch könne die Rechtsprechung aber auch "Missbräuchen in Randbereichen entgegentreten".

Bemerkenswert war auch, dass der Staatsschutzsenat des BGH es nicht damit bewenden ließ, die Straffreiheit von offenkundigen Anti-Nazi-Symbolen zu betonen. Richter Winkler ermutigte sogar dazu, solche Symbole zu tragen. Mit Blick auf die massenhafte Verbreitung von Anti-Nazi-Symbolen durch den angeklagten Versandhändler sagte Winkler, es spiele strafrechtlich keine Rolle, wie oft solche Darstellungen gezeigt würden. "Im Gegenteil: Ein zehnfacher Protest ist vielleicht noch wirkungsvoller als ein einfacher Protest." Ausländische Beobachter bekämen dadurch - anders als vom Landgericht Stuttgart angenommen - gerade nicht den Eindruck, dass sich das Hakenkreuz in Deutschland wieder einbürgere, sondern dass NS-Bestrebungen in Deutschland bekämpft würden.

Der Verteidiger des Versandhändlers, Rechtsanwalt Thomas Fischer, sagte dazu: "Der BGH hat den Nagel voll auf den Kopf getroffen." Das Urteil könne "als Richtschnur dienen".