Der "Spiegel" wirft Stromkonzernen Preistreiberei vor - Strombörse dementiert

100 Euro zuviel bezahlt?

Im Zusammenhang mit ungeklärten Geschäftsaktivitäten in der Leipziger Strombörse EEX attackiert der Bund der Energieverbraucher die großen deutschen Stromkonzerne. "Die Preispolitik der Multis ist Freibeuterei zu Lasten der Verbraucher", sagte Verbandschef Aribert Peters der "Bild"-Zeitung. Das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" hatte am Wochenende berichtet, anonym verschickte, streng geheime Handelsdaten der Strombörse zeigten, dass die großen Energiekonzerne die Preise an der EEX hochtreiben könnten.

 (DR)

Aus den Daten der Mail des anonymen Verfassers gehe hervor, dass allein der Konzern RWE 2006 für fast 28 Prozent des gesamten Nettostromeinkaufes verantwortlich sei. Der anonyme Verfasser der E-Mail vermute, dass der Konzern so den Preis in die Höhe getrieben habe, um dann im Telefonhandel viel größere Volumina zu dem künstlich angehobenen Preis zu verkaufen.

Hohe Stromrechnungen in Deutschland
Nach Berechnungen der Verbraucherorganisation zahlten Privathaushalte und Industrieunternehmen aufgrund überteuerter Handelspreise an der Leipziger EEX für jede Kilowattstunde Strom drei Cent zu viel, schrieb die "Bild"-Zeitung. Das ergebe eine zusätzliche Kostenbelastung von jährlich 13,5 Milliarden Euro.

Den Berechnungen des Verbands zufolge zahle ein Musterhaushalt mit 3500 Kilowattstunden Jahresverbrauch und einer Stromrechnung von 700 Euro im Jahr damit 105 Euro jährlich zu viel.

Die deutschen Verbraucher müssen für Strom sowieso vergleichsweise kräftig in die Tasche greifen. Die Preise lägen einer Untersuchung unter zwölf europäischen Ländern zufolge auf hohem Niveau, berichtet der Energie Informationsdienst Hamburg. Nur Dänemark, Belgien und die Niederlande zahlen noch mehr für Strom.

Politiker fordern Konsequenzen für den Strommarkt
Der hessische Wirtschaftsminister Alois Rhiel (CDU) forderte politische Konsequenzen im Strommarkt. "Das Preistreiber-Quartett muss aufgelöst werden, das Kartellamt einen Zwangsverkauf von Kraftwerken anordnen können". Der Fraktionsvize der FDP, Rainer Brüderle, verlangte Änderungen im Marktverhalten der Großkonzerne. "Ich fordere die großen Stromversorger auf, ihre Preispolitik transparent zu machen und ihre Marktmacht nicht auszunutzen", sagte Brüderle der Zeitung. Ein Sprecher des Stromkonzerns RWE erklärte zu Vorwürfen: "Wir manipulieren keine Preise und dominieren keinen Markt."

Strombörse weist Vorwürfe zurück
Die Energiebörse EEX hat Vorwürfe zurückgewiesen, an der Börse werde der Strompreis von den großen Versorgern künstlich in die Höhe getrieben. Der Vorstandsvorsitzende des Leipziger Unternehmens, Hans-Bernd Menzel, sagte am Dienstag, der Handel an der EEX laufe ordnungsgemäß ab und werde auch "hochgradig überwacht". Der Markt funktioniere, betonte Menzel. Der Preis an der Leipziger Börse gelte mittlerweile auch als Leitpreis für ganz Europa.

Menzel räumte ein, dass es sich bei den Daten, die im Februar per E-Mail von einer unbekannten Person breit gestreut wurden, um "echte Marktdaten" handelt. Die darauf basierenden Analysen und Auswertungen seien aber "irreführend", sagte er auf einer Pressekonferenz in Frankfurt am Main.

Nach Angaben von Menzel arbeitet die European Energy Exchange AG (EEX) ständig mit dem Bundeskartellamt, der Bundesnetzagentur, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und auch den zuständigen europäischen Behörden zusammen. Die jetzt verbreiteten Daten lägen allen Aufsichtsbehörden und auch der EU-Kommission vor.

Er sehe keine unzulässige Marktmacht der großen deutschen Versorger, sagte Menzel. Es gebe im Monat rund 40 Nettoverkäufer von Strom an der EEX. Insgesamt handelten jeden Monat rund 120 Marktteilnehmer. Mehr als die Hälfte des gehandelten Stroms komme zudem aus dem Ausland oder gehe ins Ausland. Der an der EEX erzielte Preis sei zudem ein Gleichgewichtspreis zwischen Angebot und Nachfrage - er richte sich nicht nach den Herstellungskosten des Stroms oder nach dem Kraftwerk, in dem er produziert werde.