Muslimische Frauen diskutieren kontrovers über Emanzipation

Die weiblichen Gesichter des Islam

Die weiblichen Gesichter des Islam sind vielfältig: Da ist die Anwältin aus Malaysia, die marokkanische Literaturwissenschaftlerin und die deutsche Frau, die zum Islam übertrat. Sehr unterschiedliche Musliminnen trafen von Mittwoch bis Freitag in Köln zusammen, um aus feministischer Perspektive über ihre Religion zu sprechen. Die SPD-Politikerin Lale Akgün und die Friedrich-Ebert-Stiftung hatten eingeladen.

 (DR)

Keine Einigkeit über Wege zur Emanzipation
Das Motto des Treffens: "Frauen im Islam - zwischen Unterdrückung und Selbstbehauptung". "Wir wollen ein anderes Bild des Islam vermitteln, und die Frauen stärken", beschrieb Akgün das Ziel der Tagung, die am Freitag zu Ende ging. Feministische Musliminnen, die auf einsamem Posten für die Gleichberechtigung der Frau kämpfen und oftmals belächelt werden, sollten sich vernetzen und durch den Austausch mit anderen ihre Überzeugungen selbstbewusster vertreten können, so die Islambeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion. Doch über die Wege zur Emanzipation sind sich die Frauen ebenso wenig einig wie darüber, wie weit diese gehen soll.

Für Zündstoff sorgte die in Amsterdam lebende Schriftstellerin Nahed Selim. Sie fordert, den Männern den Koran als Machtinstrument zu entreißen: "Der Koran fördert die Ungleichbehandlung von Frau und Mann." Er legitimiere, dass Männer ihre Frauen schlagen, dass Frauen vor Gericht als weniger glaubwürdig gelten und weniger erben als Männer. "Wir müssen die Texte beiseite legen", sagte Selim. Die Menschen bräuchten ein ethisch-religiöses Konzept, das ihnen Orientierung gebe, und keine wörtlich zu nehmenden Schriften, die sie einengten.

"Ein heiliges Buch darf nicht widersprüchlich sein"
Frauen wie die malaysische Anwältin Zarizana Abdul Aziz setzen sich hingegen für eine neue Auslegung aus feministischer Sicht ein:
"Gerechtigkeit ist das wichtigste Prinzip des Koran." Durch die gängigen Interpretationen werde zur Unterdrückung der Frau und somit zu Ungerechtigkeit aufgerufen. "Aber ein heiliges Buch darf nicht widersprüchlich sein", betonte sie.

Es sei wichtig, zu unterscheiden, was menschliche Interpretation und was göttlicher Wille sei. Da jeder nur aus seiner eigenen Perspektive interpretieren könne, und Männer bislang das alleinige Vorrecht dazu gehabt hätten, sei es an der Zeit, dass Frauen ihre Sichtweise einbrächten.

Emotionale und zeitweise spannungsgeladene Diskussion
Die emotionale und zeitweise spannungsgeladene Diskussion der Positionen zeigte, wie tief die Spuren jahrelanger Kämpfe sitzen. Soll eine feministische Perspektive das Fundament des Islam, den Koran, über Bord werfen oder eher Korrekturen im Vorhandenen vornehmen? Welche Gemeinsamkeit verbindet Frauen, die im Westen leben, mit denen in islamischen Ländern? Ist eine Frau, die ihre Haare nicht bedeckt, eine weniger gute Muslimin als eine Kopftuchträgerin?

Jede Frau müsse in der Lage sein, ihre eigene Wahl zu treffen, fordert die Sudanesin Asha Khalil Abdalla Elkarib. "Je mehr wir Religion als eine persönliche Entscheidung begreifen und wir unser Zusammenleben nach säkularen Gesetzen regeln, desto besser."

Aus Marokko berichtete Fatima-Zahra Zryouil, die Erfahrung in ihrem Land zeige, dass ein fortschrittlicher Islam nur möglich sei, wenn der Staat gewisse Rahmenbedingungen setze. So habe die marokkanische Gesetzgebung der vergangenen Jahre die Rechte der Frauen gestärkt und ihre Teilhabe an Politik und öffentlichem Leben gefördert, betonte die Dekanin der Universität von El-Jadida.