Bundesregierung will Täter "zur Rechenschaft ziehen" - Welthungerhilfe holt Mitarbeiter nach Kabul

Bestürzung nach Mord in Afghanistan

Die Bundesregierung hat sich bestürzt über die Ermordung eines Entwicklungshelfers der Deutschen Welthungerhilfe in Afghanistan gezeigt. "Noch sind die Hintergründe der Tat nicht aufgeklärt, aber sie erfüllt uns mit Trauer und Entsetzen", sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier. - Die Deutsche Welthungerhilfe zieht unterdessen Konsequenzen und seine Mitarbeiter vorerst aus den ländlichen Regionen zurück.

 (DR)

Außenpolitiker warnen: Entwicklungsprojekte nicht vernachlässigen
Die Bundesregierung werde alles daran setzen, die Tat aufzuklären und die Täter zur Rechenschaft zu ziehen. Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD) bekundete in Berlin ihre Hochachtung und ihren Respekt vor der oft riskanten Arbeit der Aufbauhelfer. Die Stabilisierung und der Wiederaufbau Afghanistans nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs, der Fremdherrschaft und des Talibanregimes seien eine der schwierigsten Aufgaben, die es derzeit gebe.

Außenpolitiker warnten indes davor, als Konsequenz aus der Tat Entwicklungsprojekte am Hindukusch zu vernachlässigen. So tragisch der Mord auch sei, es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sich derartige Anschläge wiederholten, sagte der SPD-Abgeordnete Niels Annen der "Berliner Zeitung" (Freitagsausgabe). Man könne aber nicht hinter jeden Entwicklungshelfer einen Soldaten stellen. Der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei sagte der Zeitung, ein Abzug der Entwicklungshelfer würde die bisherige Arbeit in Frage stellen.

Generalsekretär Preuß: "Keine Bauchreaktionen" nach Mordanschlag
Die Deutsche Welthungerhilfe zieht sich einen Tag nach der Ermordung eines ihrer Mitarbeiter in Afghanistan vorerst aus den ländlichen Regionen zurück. Generalsekretär Hans-Joachim Preuß sagte am Freitag in Berlin, die Mitarbeiter seien zunächst in die Hauptstadt Kabul beordert worden. Dort werde gemeinsam mit der deutschen Botschaft, der internationalen Schutztruppe ISAF und anderen Organisationen über das weitere Vorgehen beraten: "Reine Bauchreaktionen lehnen wir ab", sagte Preuß.

Der seit 2006 für die Deutsche Welthungerhilfe tätige Bauingenieur Dieter Rübling war am Donnerstag von zwei Unbekannten nahe eines Dorfes in der Region Sar-i-Pul in Nordafghanistan erschossen worden. Ein Konvoi der Welthungerhilfe mit dem 65-Jährigen und afghanischen Mitarbeitern war nach Angaben der Zentralasien-Beauftragten der Welthungerhilfe, Renate Becker, in einer Talenge von zwei bewaffneten jungen Männern angehalten worden.

Die Täter beschimpften die afghanischen Mitarbeiter als "Ungläubige" und warfen ihnen vor, für westliche Organisationen zu arbeiten. Anschließend durften die Afghanen den Tatort verlassen, Rübling wurde weggeführt und erschossen. Becker sagte, die Hintergründe der Tat seien zwar noch unklar. Die Organisation gehe aber von "ideologischen Motiven" und nicht von einem Raubüberfall aus.

Der Bauingenieur sei vor allem für die technische Abnahme und die  Fortbildung von Einheimischen zuständig gewesen, erläuterte Preuß. Der jetzige, auf drei Monate geplante Einsatz war der dritte des erfahrenen Entwicklungshelfers in Afghanistan, der zuvor bereits in anderen Krisenregionen wie Somalia gearbeitet hatte.

"Sicherheitslage seit 1999 ständig verschlechtert"
Preuß sagte weiter, die Sicherheitslage habe sich für seine seit 1999 in Afghanistan tätige Organisation mit ihren 25 deutschen und 600 einheimischen Mitarbeitern in den vergangenen Jahren ständig verschlechtert. Sar-i-Pul hatte bisher allerdings als absolut sicher gegolten. Die Mitarbeiter hätten überdies die üblichen Maßnahmen wie das Fahren im Konvoi und das Verzichten auf regelmäßige Fahrzeiten beachtet. Der deutsche Entwicklungshelfer und seine afghanischen Kollegen waren in Mietwagen unterwegs, die nicht als Fahrzeuge einer Organisation zu erkennen waren.

Der Sprecher des Bundesentwicklungsministeriums, Markus Weidling, sagte dem epd, es sei nun am wichtigsten, die Täter zu finden und zu bestrafen. Die Menschen in Afghanistan könnten sich darauf verlassen, dass die Entwicklungszusammenarbeit weitergehe: "Es wird keine Schnellschüsse geben."