Merkel setzt beim Brüsseler EU-Gipfel Kurswechsel durch

Europa geht beim Klimaschutz voran

Die Europäische Union sieht sich nach der erstmaligen Einigung auf verbindliche Ziele als internationaler Wegbereiter für den Klimaschutz. Die Bundeskanzlerin und EU-Ratspräsidentin Angela Merkel (CDU) setzte am Freitag in Brüssel nach monatelangen Verhandlungen den Kurswechsel durch und sprach von einem "Durchbruch in der Energie- und Klimapolitik".

 (DR)

Einigung bei erneuerbaren Energien
Die 27 EU-Staats- und Regierungschefs verständigten sich neben einer CO2-Reduzierung um ein Fünftel auf ein verbindliches Ziel zur Ausweitung der erneuerbaren Energien aus Wind, Sonne und Wasser. Ferner sollen Biokraftstoffe stärker genutzt werden.

Der EU-Gipfel beschloss ferner eine Anhebung des CO2-Zieles auf 30 Prozent, sofern es zu internationalen Vereinbarungen kommt. Die Industrienationen sollen bis 2050 sogar eine Verringerung der gefährlichen Treibhausgasemissionen um 60 bis 80 Prozent anstreben. Merkel mahnte, dass es gemeinsam gelingen müsse, die Erderwärmung auf maximal zwei Grad zu begrenzen. Dies sei "eine wichtige Frage für die Menschheit".

Einigkeit erreichte der Gipfel auch bei der bis zuletzt strittigen Frage der erneuerbaren Energien, deren Anteil am Gesamtenergieverbrauch nun bis 2020 auf 20 Prozent aufgestockt werden soll. Merkel betonte, es gebe hier verbindliche Vorgaben für die Europäische Union insgesamt, wobei die Kommission jetzt die Lastenverteilung auf die einzelnen Länder regeln müsse. Wichtig sei ihr aber, dass die Atomkraft nicht als erneuerbare Energie angerechnet werde. Frankreich hatte sich zunächst gegen verpflichtende Vorgaben gewehrt, um seine starke Atomwirtschaft zu schützen.

"Jeder Mitgliedsstaat betrachtet sich als Sonderfall"
Merkel hielt den Kritikern verbindlicher Klimaschutzziele entgegen, dass Europa nur mit klaren Vorgaben seine "Glaubwürdigkeit" behalten und international Verbündete im Kampf gegen den Klimawandel gewinnen könne. Nach der Festlegung auf EU-Ebene betonte die Kanzlerin mit Blick auf den bevorstehenden G-8-Gipfel in Heiligendamm: "Jetzt werden wir die Tatsache nutzen, dass Deutschland auch die G8-Präsidentschaft inne hat."

Auch den kommenden schwierigen Verhandlungen über die nationale Lastenverteilung sah Merkel optimistisch entgegen: "Jeder Mitgliedsstaat betrachtet sich als Sonderfall. Und damit sind sie alle wieder gleich", sagte die Kanzlerin.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso wertete den Klimakompromiss als "historisches Ergebnis" und kündigte noch für das dritte Quartal konkrete Vorschläge zur Umsetzung an. Außerdem soll Brüssel 2008/09 Pläne ausarbeiten, wie mit Energiesparlampen eine Reduzierung der Treibhausgase erreicht werden kann.

Kampf der ausufernden Bürokratie
Die EU sagte auf dem Gipfel ferner der ausufernden Bürokratie den Kampf an und will den durch Rechtsvorschriften verursachten Verwaltungsaufwand bis 2012 um 25 Prozent senken. Mit dem Beschluss soll die Wirtschaft um rund 1,2 Milliarden Euro entlastet werden. Der Gipfel, an dem erstmals auch Bulgarien und Rumänien teilnahmen, empfahl den Mitgliedsstaaten, sich bis 2008 auf nationaler Ebene ähnlich ehrgeizige Ziele zu setzen.

Bereits in der Nacht zum Freitag hatte Deutschland grünes Licht für die so genannte Berliner Erklärung bekommen, die am 25. März auf einem EU-Sondergipfel in Berlin verabschiedet werden soll. Die Ratspräsidentschaft habe hier nun "freie Hand zur Arbeit", betonte Merkel. Die Erklärung zum 50. Jahrestag der Römischen Verträge soll Erfolge, Werte und Ziele der Europäischen Union benennen und neuen Schwung in den EU-Verfassungsprozess bringen.