Deutsche Bischöfe beenden ihre Pilgerreise ins Heilige Land

Glaubensmitte und Alltagsenttäuschung

Mit einem festlichen Gottesdienst in der Jerusalemer Dormitio-Abtei ist am Sonntag die Pilgerreise der katholischen deutschen Bischöfe ins Heilige Land zu Ende gegangen. Kardinal Karl Lehmann wandte sich in seiner Predigt gegen ein falsch verstandenes Jenseitsdenken. Wer das Land Jesu und jene Orte besuche, die für die Mitte des Glaubens stünden, müsse diese religiösen Eindrücke in die Niedrigkeiten und Enttäuschungen des Alltags einfließen lassen.

 (DR)

"Sie haben jedenfalls die Idee gehabt"
"Sonst bewährt sich der Glaube nicht", mahnte er. Die deutschen Bischöfe feierten die Messe gemeinsam mit dem italienischen Kardinal Carlo Maria Martini (80), der seit seiner Emeritierung als Erzbischof von Mailand in Jerusalem lebt.

Bei einem Empfang am Samstagabend dankte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, den Bischöfen für den Besuch und die vielfältige Unterstützung seitens der katholischen Kirche in Deutschland. Er hoffe, dass künftig jedes Jahr eine nationale Bischofskonferenz die Stätten Jesu besuche.

"Sie haben jedenfalls die Idee gehabt", dankte er. Der gebürtige Palästinenser bekräftigte seine Überzeugung, dass ein Rückzug der Israelis auf die Grenzen von 1967 dem palästinensischen Terror ein Ende bereiten werde. An dem Empfang nahm auch der Washingtoner Kardinal Theorore Edgar McCarrick teil.

Lehmann für mehr Engagement der internationalen Gemeinschaft
Bei der Abschlusskonferenz bezeichnete Lehmann die Situation im Heiligen Land als "gefährliche Sackgasse". Viele bewerteten den Vertrauensverlust auf beiden Seiten als irreparabel. Zugleich warnte der Kardinal bei einer Pressekonferenz vor den Folgen des israelischen Siedlungsbaus mit Sicherheitszäunen und -mauern, getrennten Straßennetzen und Check-Points. Diese Maßnahmen böten vielleicht einen aktuellen Gewinn an Sicherheit für die Israelis, könnten aber "dem Frieden auf lange Sicht nicht dienen".

Die Situation der Palästinenser bewertete der Kardinal als erschreckend und "geradezu katastrophal". Bethlehem wirke wie ein lebendiges Gefängnis. Es gebe eine drastische Einschränkung der Bewegungsfreiheit, die zum Teil Familien auf Dauer voneinander trenne. Die Bischöfe könnten keine politischen Vermittler sein oder "Auswege aus der Misere" aufzeigen; sie müssten aber immer wieder auf das Leiden der Menschen aufmerksam machen. Dabei sähen sie auch die Ängste der Israelis, deren staatliches Existenzrecht von manchen immer noch in Frage gestellt werde.

"Das Heilige Land darf kein Freilichtmuseum werden"
Der Kardinal warnte vor Journalisten vor einer weiteren Auswanderung von Christen aus dem Heiligen Land. "Das Heilige Land darf kein Freilichtmuseum werden", mahnte er. So müssten die staatlichen Stellen den freien Zugang zu den Heiligen Stätten für die Angehörigen aller Religionen gewährleisten. Lehmann rief die Gläubigen in Deutschland zur Pilgerfahrt ins Heilige Land auf.

Lehmann kündigte an, er wolle Papst Benedikt XVI. und Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone über die Reise der Bischöfe informieren. Auch beim nächsten Kontaktgespräch der Bischofskonferenz mit der Bundesregierung, das in einigen Wochen anstehe, solle die Situation im Heiligen Land und im Nahen Osten zur Sprache kommen. Mit Blick auf eine Heilig-Land-Reise des Papstes meinte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, wichtige Voraussetzung sei ein erfolgreicher Abschluss der nach wie vor stockenden Verhandlungen zwischen Israel und dem Heiligen Stuhl über umstrittene rechtliche Fragen.

Seit Montag im Heiligen Land
Seit Montag hatten die Bischöfe christliche Stätten am See Genezareth, in Nazareth, Jerusalem, Ramallah und Bethlehem besucht. Sie trafen auch mit führenden Politikern beider Seiten zusammen. Bei einem Empfang am Samstagabend dankte der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Erzbischof Michel Sabbah, den Bischöfen für die Unterstützung seitens der katholischen Kirche in Deutschland. Der gebürtige Palästinenser bekräftigte seine Überzeugung, dass ein Rückzug der Israelis auf die Grenzen von 1967 dem palästinensischen Terror ein Ende bereiten werde.

Am Wochenende hatten die Bischöfe auch Bethlehem und Ramallah sowie die dort von den Israelis errichtete Betonmauer besucht. Mehrere Bischöfe zeigten sich sichtlich erschüttert. Der Kölner Kardinal Joachim Meisner verglich den acht Meter hohen Bau mit der Berliner Mauer: "So etwas kann nicht bleiben", sagte er wörtlich. Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker nannte die Mauer bedrückend und beklemmend.

Erzbischof Fouad Twal appellierte an die deutschen Bischöfe, sich bei der Bundesregierung und auf internationaler Ebene für eine gerechte Lösung des Nahost-Konflikts einzusetzen. Derzeit leide der Friedensprozess daran, dass Gerechtigkeit, Wahrheit und Frieden nicht ausreichend im Mittelpunkt der Verhandlungen stünden, sagte der designierte Nachfolger von Sabbah als Jerusalemer Erzbischof. Wer sich für Versöhnung einsetze, zahle täglich einen hohen Preis.


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