Zentralstelle für Kriegsdienstverweigerer wird 50 Jahre alt

Viel Gegenwind in fünf Jahrzehnten

Knapp drei Millionen junge Männer haben bislang in Deutschland den Kriegsdienst verweigert. Jahrzehntelang als "Ohne-Michel" oder "Drückeberger" beschimpft, mussten sie sich lange Zeit vor Prüfungsausschüssen rechtfertigen und ihre Gewissensgründe darlegen. Dass sie dem oft harten gesellschaftlichen Gegenwind trotzen konnten, hat auch mit einer Einrichtung zu tun, die am Freitag 50 Jahre alt wurde: der Zentralstelle für Recht und Schutz der Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgründen im niedersächsischen Bockhorn.

 (DR)

"Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden", heißt es im Grundgesetz. Um dieses nach den Erfahrungen des Nationalsozialismus in die Verfassung eingefügte Recht durchzusetzen, betreibt die aus Spenden finanzierte Organisation Lobbyarbeit, berät Parlamente und Gerichte und setzt sich für Verweigerer ein.

Die in der Tradition der Friedensverbände der Weimarer Republik stehende Zentralstelle KDV wurde am 2. März 1957 in Dortmund gegründet. Wenige Monate zuvor war das Wehrpflichtgesetz in Kraft getreten; die Debatte um die Wiederbewaffnung hatte die Bundesrepublik gespalten. Am 1. April 1957 traten die ersten Rekruten ihren Dienst in der Bundeswehr an. Traumatisiert von den Erinnerungen an den Zweiten Weltkrieg, ergriffen Pazifisten die Initiative: Der Theologe Friedrich Siegmund-Schultze wurde zum ersten Präsidenten der Zentralstelle gewählt.

Heute tragen mehr als 30 Mitgliedsverbände die Zentralstelle. Von den Quäkern über kirchliche Verbände bis zu den Jungsozialisten reicht das vielfarbige Bündnis. Die Iniativen stört vor allem, dass eine Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen zwar Verfassungsrang hat, aber dennoch einer Überprüfung unterliegt.

Die Rate derjenigen, die bei der vermeintlichen Gewissensprüfung durchfielen, war groß. Hunderttausende hatten auch nach mehrfachen Prüfungsverfahren keine Chance und mussten zum Bund. Mancher packte deshalb lieber seine Koffer und floh ins entmilitarisierte Berlin, erinnert sich Geschäftsführer Peter Tobiassen. Deshalb sieht die Zentralstelle ihren größten Erfolg auch in der Abschaffung der Prüfungsverfahren 2003.

"Zu unseren wichtigsten Errungenschaften gehört auch die gleiche Besoldung von Wehr- und Zivildienstleistenden", zählt Tobiassen weitere Erfolge und Misserfolge auf. Heftig attackierte 1984 der damalige Vorsitzende und evangelische Pastor Ulrich Finckh auch die "Strafmonate", die den Zivildienst gegenüber dem Wehrdienst um ein Drittel verlängerten. Das hatte das Bundesverfassungsgericht wegen der hohen Wochendienstzeiten bei der Bundeswehr zugelassen. Mittlerweile herrscht wieder Gleichstand. Weitere Meilensteine waren die Absenkung des Einberufungsalters von 28 auf 23 Jahre und nahezu gleiche Berufsfördermaßnahmen für die Zivis, erinnert sich Tobiassen.

Trotz des inzwischen bedeutend besseren Image der Kriegsdienstverweigerer sieht die Zentralstelle bei 10.000 Anfragen im Jahr noch genügend Aufgaben vor sich. So fordert sie von der großen Koalition Änderungen bei der Einberufungspraxis von Wehr- und Zivildienstleistenden. Weil Dienstleistende ein Jahr länger Studiengebühren zahlen müssten, solle auf die Einberufung von Abiturienten mit Studienplatz zunächst verzichtet werden und diese erst nach dem Studium erfolgen. "Ebenso schwer trifft es Menschen, die aus ihrem Arbeitsverhältnis gerissen werden", beschreibt der Geschäftsführer die Härtefälle.

Zudem liegt nach Auffassung der Zentralstelle eine generelle Benachteiligung von Zivil- gegenüber Wehrdienstleistenden vor. "Der Verteidigungsminister hat jüngst verkündet, 51.000 junge Männer einberufen zu wollen. Dann bleiben aber rund 389.000 im gleichen Alter übrig, die nicht mehr gebraucht werden und nie etwas von der Bundeswehr hören", so Tobiassen. Demgegenüber würden rund 85.000 junge Männer zum Zivildienst einberufen. Nach dem Willen der Zentralstelle sollen nicht mehr Verweigerer zum Zivildienst herangezogen werden als Wehrpflichtige zum Grundwehrdienst.