Prozess-Premiere: UN-Gerichtshof in Den Haag spricht Serbien aber vom Vorwurf des Völkermordes frei

Belgrad trägt Mitschuld an Srebrenica

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat Serbien vom Vorwurf des Völkermordes in Bosnien freigesprochen, aber eine Mitverantwortung für das Massaker in Srebrenica von 1995 festgestellt. Serbien habe gegen die UN-Völkerrechtskonvention verstoßen.

 (DR)

Der Spruch ist bindend
Serbien habe nichts getan, um die Einwohner der Stadt zu schützen, erklärte die Präsidentin des höchsten UN-Gerichtes, Rosalyn Higgins, am Montag in Den Haag. Bei dem Prozess musste sich erstmals ein Staat vor einem Gericht wegen Völkermordes verantworten. Bosnien hatte die Klage bereits vor 14 Jahren eingereicht. Der Spruch ist bindend, eine Berufung ist nicht möglich.

Am 11. Juli 1995 hatten bosnische Serben unter Führung von General Ratko Mladic die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und rund 8.000 Männer ermordet. Die niederländischen Soldaten, die im Auftrag der Vereinten Nationen die Enklave schützen sollten, hatten keinen Widerstand geleistet.

Überlebende können nun Schadenersatz von Serbien fordern
Der Gerichtshof erklärte, dass 1995 in der damaligen UN-Schutzzone ein Völkermord stattgefunden habe und bestätigte damit ein früheres Urteil des UN-Kriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien. Für diesen Genozid könne Serbien aber nicht rechtlich verantwortlich gemacht werden, erklärte die Gerichts-Präsidentin Higgins. Mit dem Urteil besteht nun aber für Überlebende die Möglichkeit, Schadenersatz von Serbien zu fordern.

Higgins hatte zu Beginn der mehr als zwei Stunden dauernden Urteilverkündung die Position Serbiens zurückgewiesen, dass das Gericht nicht zuständig sei. Der Internationale Gerichtshof darf nur Streitfälle zwischen UN-Mitgliedsstaaten behandeln. Die UN hatten
1992 die Mitgliedschaft des früheren Jugoslawien ausgesetzt und 2001 Serbien-Montenegro erneut zugelassen. Danach war dieser Verbund in zwei Staaten zerfallen.

"Es war Völkermord in Bosnien"
Higgins betonte jedoch, dass Serbien Rechtsnachfolger des früheren Jugoslawiens und an die UN-Völkermordkonvention von 1948 gebunden sei. Dagegen sei Montenegro rechtlich als neuer Staat nicht mehr für die Gräueltaten zur Verantwortung zu ziehen. Vor dem Friedenspalast in Den Haag hatten Dutzende Überlebende des Krieges mit einer Mahnwache demonstriert. Auf Transparenten stand "Serbien ist schuldig" und "Es war Völkermord in Bosnien".

Bosnien hatte die Klage 1993 gegen die damalige serbische Regierung unter Präsident Slobodan Milosevic eingereicht, weil er mit einer Politik der "ethnischen Säuberungen" die bosnischen Muslime auszurotten wolle. Serbien hatte die Vorwürfe zurückgewiesen und erklärt, dass es um einen Konflikt zwischen ethnischen Gruppen in Bosnien ging. Die Höhe des geforderten Schadenersatzes ist den Angaben zufolge noch unklar. Möglicherweise gehe es um mehrere hundert Millionen Euro.