EU-Bericht warnt vor Anstieg der Kinderarmut

Europas Kinder, immer ärmere Kinder

EU-Experten sind besorgt über einen Anstieg der Armut von Kindern und Jugendlichen in Europa. Jeder fünfte Europäer unter
18 Jahren lebe heute unter oder an der Armutsgrenze, heißt es in einem Bericht, den Berater der EU-Kommission am Montag in Brüssel vorstellten. In den vergangenen 30 Jahren sei die Kinderarmut in allen Mitgliedstaaten stärker gestiegen als die Armut der Bevölkerung insgesamt.

 (DR)

Häufiger krank, schlechtere Schulnoten, Alkohol und Drogen
Arme Kinder seien vielfältigen Benachteiligungen ausgesetzt, wird in dem Bericht betont, mit dem die EU-Kommission eine breite Diskussion über die soziale Wirklichkeit in Europa einleiten will. Sie seien häufiger krank, brächten schlechtere Schulnoten heim und kämen häufiger mit Alkohol und Drogen in Kontakt. Als Erwachsene drohten ihnen Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot und Kriminalität.

Die Experten verwiesen darauf, dass die EU einen relativen Armutsbegriff verwende. Als armutsgefährdet gilt demnach, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Pro-Kopf-Einkommens seines Landes entsprechend der Familiengröße erreicht. "Armut bedeutet, in einer Gesellschaft nicht mehr an Dingen teilhaben zu können, die für die Mehrheit selbstverständlich sind", so die EU-Berater.

Generell sei die Kluft zwischen Arm und Reich in zahlreichen EU-Staaten tiefer geworden, heißt es in der Studie. Gewachsen sei das Lohngefälle zwischen hohen und niedrigen Einkommen unter anderem in Großbritannien, Deutschland, den Niederlanden und Schweden.

Chancen zur Umkehrung dieser Entwicklungen
Zurückgegangen sei es in Frankreich und in Finnland. Die EU-Experten sehen zugleich Chancen zur Umkehrung dieser Entwicklungen. So werde etwa in Großbritannien Reichtum heute nicht mehr in erster Linie durch Erbschaften, sondern durch Unternehmungsgründungen in den Großstädten geschaffen: "Dies lässt auf Vorteile schließen, die breiteren Kreisen der Gesellschaft zugute kommen." Ohne staatliche Maßnahmen sei allerdings nichts zu erreichen, betonen die Berater. Es stelle sich die Frage, welche Mischung von klassischer Umverteilung und gezielter Intervention am besten geeignet sei.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) nannte den Bericht der EU-Kommission einen "Aufruf zum Handeln". Europa müsse sich auf soziale Mindeststandards und einen energischen Kampf gegen die Arbeitslosigkeit verpflichten, sagte der DGB-Vorsitzende Michael Sommer der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Für Deutschland forderte Sommer erneut die Einführung eines Mindestlohns.