Israel rüstet sich gegen weitere Protestaktionen

Neue Unruhen am Tempelberg erwartet

Am Rande der Grabungsarbeiten am Tempelberg, bei denen es in der vergangenen Woche zu Protestdemonstrationen und zu Zusammenstößen zwischen palästinensischen Demonstrationen und israelischen Sicherheitskräften gekommen war, wird auch für Freitag mit Demonstrationen gerechnet. Das Gelände um den Tempelberg war bis 1967 unter muslimischer Kontrolle.

 (DR)

Von KNA-Mitarbeiterin Gabi Fröhlich
Dann annektierte Israel die Jerusalemer Altstadt, was die Palästinenser bis heute nicht anerkennen und die archäologischen Ausgrabungen deshalb als illegal bezeichnen. Die umstrittenen Ausgrabungen sind seit Donnerstag live im Internet zu beobachten.

Die Kontrollen an den Toren zur Jerusalemer Altstadt sind an diesem Freitag besonders intensiv: Vor einer Woche war es erstmals nach dem Freitagsgebet in der El-Aksa-Moschee zu Protestdemonstrationen gegen israelische Grabungsarbeiten am Fuß des Tempelbergs gekommen - und zu Zusammenstößen mit den israelischen Sicherheitskräften. "Und die Wunde ist nach wie vor offen, die Hitze der Wut ist längst nicht abgekühlt", sagt Mahdi Abdul Hadi. Daher rechnet der Leiter der Palästinensischen Nichtregierungsorganisation PASSIA mit neuen Unruhen. So wie die israelischen Sicherheitskräfte.

Zankapfel sind die Arbeiten für die Neugestaltung des Fußgängeraufgangs zum Haram-el-Scharif, dem "edlen Heiligtum", jenem weiten Platz des Tempelbergs, auf dem El-Aksa-Moschee und Felsendom stehen. Heilige Orte für den Islam. Eine alte Rampe war vor vier Jahren zusammengebrochen und wurde durch eine provisorische Holzkonstruktion ersetzt. Nun baut die israelische Altertumsbehörde diese Ersatzbrücke ab, um an ihrer Stelle einen dauerhaften Aufgang zu errichten. Aufschreie der Palästinenser folgten: Sie bezeichnen die Arbeiten als bewusste Provokation zu jenem Zeitpunkt, an dem die palästinensische Führung in Mekka erste Schritte für eine Einheitsregierung eingeleitet hat.

Die Tatsache, dass Israel überhaupt Hand an das Gelände legt, weckt den Zorn vieler Muslime. Aus ihrer Sicht gehört das 1967 von Israel mit dem gesamten Osten der Stadt annektierte Gelände eigentlich den Palästinensern. Sie berufen sich darauf, dass auch die internationale Staatengemeinschaft die Annexion Ostjerusalems nie anerkannt habe. PASSIA-Chef Hadi schlägt deshalb die Bildung einer internationalen Kommission vor, die das weitere Vorgehen kontrollieren solle. Dafür aber müssten auch die archäologischen Grabungen sofort gestoppt werden, so Hadi.

Zwar hat Jerusalems ultra-orthodoxer Bürgermeister Uri Lupolianski Anfang der Woche einen Aufschub für den geplanten Neubau der Fußgängerrampe angekündigt, aber dem misst die palästinensische Bevölkerung weniger Bedeutung bei als die internationale Presse. Denn Ministerpräsident Ehud Olmert hat sich bislang sehr dezidiert dafür ausgesprochen, die Proteste zu ignorieren und an der bisherigen Planung festzuhalten. Es ist ungewiss, ob Lupolianski sich mit seiner Auffassung gegen den Druck der Regierung durchsetzen kann. Die Angelegenheit werde in einer gemeinsamen Kommission diskutiert, erklärte ein Sprecher der Stadt auf Anfrage lakonisch.

Von diesem Gerangel nicht betroffen sind die Arbeiten der Archäologen, die dem Neubau der Rampe vorangehen und die in der vergangenen Woche begonnen haben. Rund acht Monate sind dafür veranschlagt. Die Archäologen hoffen, in dieser Zeit bis auf das Niveau einer antiken, römischen Straße vorzustoßen. Die für die Ausgrabungen verantwortliche Altertumsbehörde versucht den Unmut in der muslimischen Welt zu besänftigen, indem sie seit Donnerstag über Webcams Live-Bilder von den Arbeiten im Internet überträgt. Ein Sprecher der palästinensischen Stiftung, die die muslimischen Heiligtümer verwaltet, bezeichnete dies aber als pure "Kosmetik".

Um potenzielle Unruhen im Keim zu ersticken, werden am Freitag mehr als 2000 Sicherheitskräfte - Polizisten und Soldaten - in der Jerusalemer Altstadt im Einsatz sein. 1995 hatte die Öffnung eines Tunnels unter dem Tempelberg blutige Auseinandersetzungen ausgelöst, im Jahr 2000 der Gang des späteren Ministerpräsidenten Ariel Scharon zum Tempelberg die so genannte El-Aksa-Intifada. Viele befürchten, dass der heilige Ort der Juden und Muslime erneut Ausgangspunkt einer Welle der Gewalt werden könnte.