Kinderhospizverein ruft zur Hilfe für 22.000 todkranke Kinder auf

Hoffnung im Leiden

Rund 22.000 Kinder in Deutschland leiden an einer unheilbaren lebensverkürzenden Krankheit. Die Kinderhospizarbeit begleitet diese Kinder und ihre Familien von der ersten Diagnose bis über den Tod hinaus. Der Deutsche Kinderhospizverein wurde am 10.
Februar 1990 von sechs betroffenen Familien im sauerländischen Olpe gegründet.

 (DR)

Die stationäre Versorgung sei ausreichend, sagt Geschäftsführer Carsten Kaminski: "Es fehlen jedoch flächendeckend ambulante Kinderhospizdienste, um die Familien mit ehrenamtlichen Helfern im Alltag zu entlasten." Besonders in Süd- und Ostdeutschland sei der Bedarf groß.

Das erste Projekt war ein Kinderhospiz, das 1998 in Olpe eröffnet wurde. Inzwischen gibt es nach Angaben des Vereins bundesweit neun stationäre Kinderhospize, in denen Familien bis zu vier Wochen im Jahr von ausgebildeten Helferinnen und Helfern betreut werden. Das Ziel ist, die Lebensqualität der ganzen Familie zu verbessern und den Eltern dabei zu helfen, für ihr krankes Kind zu sorgen. Dazu gehört auch eine Trauerbegleitung nach dem Tod des Kindes. Jede Einrichtung begleitet jährlich bis zu 200 Familien mit unheilbar kranken Kindern.


Undenkbar ohne Ehrenamt
Daneben existieren noch 43 ambulante Kinderhospizdienste, von denen 15 vom Verein selbst unterhalten werden. Hier engagieren sich ehrenamtliche Mitarbeiter, die die Familien nach einer entsprechenden Ausbildung im Alltag entlasten.

2005 gründete der Verein die Deutsche Kinderhospizakademie. Mit bundesweiten Seminaren, Work-Shops und Tagungen sollen die Grundlagen der Kinderhospizarbeit in der Öffentlichkeit bekannt gemacht und Berührungsängste gegenüber dem Thema Kind, Krankheit und Tod abgebaut werden. Auch der seit zwei Jahren jährlich veranstaltete "Tag der Kinderhospizarbeit" am 10. Februar informiert über die Arbeit des Vereins. In diesem Jahr findet zusätzlich ein Festakt zur Gründung der neuen "Kinderhospizstiftung" statt.


Tag der Kinderhospizarbeit am 10. Februar
Mit dem "Tag der Kinderhospizarbeit" am Samstag (10. Februar) will der Deutsche Kinderhospizverein e.V. im sauerländischen Olpe auf das Schicksal dieser Kinder und ihrer Familien aufmerksam machen. "Für diese Kinder gibt es weder eine Therapie noch eine Aussicht auf Heilung", sagt Geschäftsführer Carsten Kaminski, der selbst ein Kind verloren hat: "Unser Hauptanliegen ist, die Familien zu entlasten und zu unterstützen, die oft viele Jahre lang unter einem hohen psychischen und physischen Stress stehen."

In bundesweit neun Kinderhospizen können Familien mit todkranken Kindern bis zu vier Wochen im Jahr eine Atempause einlegen, um Kraft zu schöpfen. Ausgebildete Betreuerinnen kümmern sich um die ganze Familie. Die stationäre Versorgung sei damit ausreichend, sagt Kaminski: "Es fehlen jedoch flächendeckend ambulante Kinderhospizdienste, um die Familien mit ehrenamtlichen Helfern im Alltag zu entlasten." Besonders in Süd- und Ostdeutschland sei der Bedarf groß.

Das Problem sei nicht, ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden, sondern die Arbeit zu finanzieren. "Der Aufbau eines Dienstes muss komplett aus Spenden erfolgen", sagt Kaminski. Der Staat übernimmt erst nach einem Jahr Begleitung ein Drittel der Kosten. Auch wenn die Familien von Freiwilligen betreut würden, brauche jeder Dienst mindestens eine halbe feste Stelle für die Koordination, das sind etwa 60.000 Euro pro Jahr.

Ein Kind von 22.000: Lena
Wenn Lena angezogen ist, sieht sie aus wie ein kleiner Ritter. Ein Korsett hält ihren Oberkörper zusammen, ihre Beine stecken in Stützen, so genannten Orthesen. Die Elfjährige gehört zu den rund 22.000 Kindern in Deutschland, die an einer unheilbaren lebensverkürzenden Krankheit leiden.

Einen der insgesamt 43 ambulanten Kinderhospizdienste hat die Sozialpädagogin Sibylle Esenwein vor zwei Jahren mit Hilfe des Arbeiter-Samariter-Bundes in Hannover aufgebaut: "Die Nachfragen der Familien wachsen inzwischen ständig." Eine ihrer ersten Bewerberinnen für das Ehrenamt war Gerda Schäfer. "Ich suchte eine sinnvolle Aufgabe neben meinem Beruf", erzählt die 57-jährige Kirchenbeamtin.

Themen wie Krankheit, Leiden, Sterben und Tod waren Teil der 80-stündigen Ausbildung. Seit einem Jahr kümmert sich Schäfer um Lenas Familie. Lena zeigte mit drei Jahren erste Anzeichen der tödlich verlaufenden Stoffwechselkrankheit Mukopolysaccharidose. Seitdem hat sie langsam alle bis dahin erworbenen Fähigkeiten verloren. Sie kann nicht mehr laufen oder sprechen und wird künstlich ernährt. Ihre Mutter muss damit allein fertig werden. Der Ehemann hat die Situation nicht mehr ausgehalten und die Familie, zu der noch Lenas 15-jähriger Bruder gehört, verlassen.

Für Lena wird seit kurzem auch das Atmen zusehends schwieriger. "Die schmerzstillende palliativmedizinische Versorgung für Kinder ist ein ganz großes Problem", sagt Carsten Kaminski. Früher lebten unheilbar kranke Kinder nur wenige Jahre, heute würden sie bis zu 19 Jahre alt.

Es kämen also immer mehr Schmerzpatienten hinzu, doch die Medikamente seien nicht auf sie abgestimmt: "Die Ärzte müssen von den Produkten für Erwachsene die geschätzten Dosierungen für Kinder herunter rechnen."

500 Kinder sterben pro Jahr in Deutschland an Krebs und etwa 1.650 an anderen unheilbaren Krankheiten, schätzt Kaminski. Damit sei die Zahl der Betroffenen für die Pharma-Industrie zu klein, um gezielt zu forschen. Und anders als bei Krebs seien die Grunderkrankungen der zweiten Gruppe sehr unterschiedlich und meist selten.

Gerda Schäfer ist rund fünf Stunden pro Woche für Lena und ihre Familie da: "Manchmal sitzen wir an Lenas Bett und halten die Situation gemeinsam aus, ohne zu reden. Dann wieder möchte die Mutter einfach nur in einem Nebenzimmer weinen, und ich bin an ihrer Seite." Vor zwei Wochen habe sie auf Wunsch der Mutter einen Informationsbesuch bei einem Bestatter organisiert, erzählt Schäfer und fügt hinzu: "Wenn ich Lena sehe, weiß ich, dass das Leben nicht mit dem Leiden zu Ende ist, sondern dass aus dem Leiden heraus etwas anderes weiterleben kann."