Die Seligsprechung von Johannes Paul II. lässt auf sich warten

Ein Prozess geht seinen Gang

Manche raunten schon, am 2. April könnte es so weit sein - und die Seligsprechung von Johannes Paul II. stattfinden.
Sein zweiter Todestag, hoffen noch immer vor allem polnische Gläubige, wäre doch eigentlich ein schönes Datum, um das Kirchenoberhaupt zur Ehre der Altäre zu erheben. Doch die Diözese Rom, die den Seligsprechungsprozess durchführt, bremst eilige
Erwartungen: "Alles nur Spekulationen von Journalisten", so Slawomir Oder, als Postulator so etwas wie der Generalanwalt des Verfahrens.

 (DR)

Allerdings sind die Kirchenbehörden an den Mutmaßungen nicht ganz unschuldig. Kein Geringerer als der Präfekt der Heiligsprechungskongregation, Kardinal Jose Saraiva Martins, äußerte Mitte Januar die Einschätzung, die erste große Etappe im Prozess könne "gegen April" abgeschlossen sein. Auch Oder, Landsmann des Wojtyla-Papstes, wurde so zitiert - und fühlte sich missverstanden. Seitdem formuliert das Vikariat sämtliche Prognosen zur Seligsprechung entschieden unbestimmt.

Erst wenn im diözesanen Verfahren der Lebenslauf des Kandidaten gründlich durchleuchtet wurde, seine Verehrung dokumentiert und ein Wunder wissenschaftlich erhärtet ist, erst dann kann die vatikanische Kongregation den Fall übernehmen. Das heißt, dass sie die "Causa" nochmals komplett aufrollt. Das letzte Wort hat dann der Papst. Bei ihm allein liegt die Entscheidung, ob es in den Kirchen einen Kult für Johannes Paul II. geben darf oder ob seine Verehrung Privatsache bleibt. Vorerst ist selbst der Zeitplan von Phase 1, dem Diözesanprozess, völlig offen. Das Verfahren sei "in vollem Gang", sagt Bistumssprecher Marco Fibbi. Möglicherweise werde es schon in ein paar Wochen erfolgreich beendet, "vielleicht auch erst nach dem Sommer".

Inzwischen ist lediglich der nach Krakau ausgelagerte Teil des Verfahrens abgeschlossen. Dort ging es um die Überprüfung der Tugendhaftigkeit von Karol Wojtyla in seiner polnischen Zeit.
Doch in Rom treffen noch immer neue Materialien ein. Postulator Oder spricht von "einigen hunderttausend Briefen und E-Mails", die in seiner Fachstelle lagern. Alles muss gesichtet, systematisiert und in mehrere Sprachen übersetzt werden.
Kirchenrichter und eine regelmäßig tagende Historikerkommission werten die Dokumente aus. Wenn das Verfahren positiv ausgehen soll, darf nicht der geringste Schatten auf dem Leben des neuen Seligen liegen.

Neben diesem Verfahren "super virtutibus" (über die Tugenden) läuft parallel der Wunderprozess. Auch hier gilt keine unbotmäßige Eile. Verwunderung erregten daher bei den Verantwortlichen Berichte, denen zufolge der Vatikan bereits ein drittes auf Fürsprache von Johannes Paul II. gewirktes Wunder anerkannt habe. Polnische Medien meldeten, ein Baby in Tschenstochau sei medizinisch unerklärlich von einem schweren
Nieren- und Herzdefekt befreit worden. Schon im Herbst schrieb die italienische Presse über eine wunderbare Lungenkrebs-Heilung eines Süditalieners.

Bei solchen Nachrichten wiegelt Oder ab. "Derzeit läuft nur ein einziger Wunderprozess", sagt er: jener über die Heilung einer französischen Ordensfrau von Parkinson. Bei den anderen angeblichen Mirakeln sei noch nicht mal klar, ob sie überhaupt die nötigen Voraussetzungen für eine kirchenamtliche Prüfung erfüllten. Von vatikanischer Anerkennung also keine Rede. Die erfolgt erst, indem der Papst einen positiven Abschlussbericht der Heiligsprechungskongregation zur Veröffentlichung freigibt.

Am Grab Johannes Paul II. mangelt es unterdessen nicht an Zeugnissen von Dank und Vertrauen auf Fürsprache. Allabendlich sammelt ein Vatikan-Mitarbeiter das ein, was bis zu 30.000 Pilger täglich in der Gruft des Petersdoms hinterlassen: Statuen, Kerzen, Rosenkränze, Medaillen, Briefe, Schmuck. Kartonweise werden sie zum Postulator gebracht, der die Objekte verzeichnet, ordnet, beurteilt. Nüchtern, nach Art eines Geschäftskontors, wächst so eine Liste, die vor allem eines dokumentiert: die lebendige Verehrung für den polnischen Papst.

Eine Seligsprechung im April - dafür müsste Benedikt XVI. schon alle kirchlichen Verfahrensregeln außer Kraft setzen. "Reine Spekulation", sagt Oder deshalb zu dem Termin. Aber im gleichen Satz räumt er seinen Wunsch ein, dass sie bald käme. Und arbeitet daran.