In Duisburg gibt es ein multikulturelles Seniorenheim - Einstige Gastarbeiter kommen ins Rentenalter

Orientalisches Flair

Es ist Mittagszeit im "Haus am Sandberg". Tugba Yildirim sitzt zwischen einer holländischen und einer türkischen Seniorin und füttert beide abwechselnd mit kleinen Happen. "Mir gefällt es total gut, hier zu arbeiten", strahlt Yildirim übers ganze Gesicht. Die 20-jährige Türkin ist ausgebildete Familienpflegerin in Nordrhein-Westfalens einzigem multikulturellen Seniorenheim in Duisburg.

 (DR)

Zahl türkischer Senioren in Deutschland explodiert
"Vor 40 Jahren kamen die türkischen Einwanderer als Gastarbeiter, heute sind sie im Rentenalter", sagt Heimleiter Ralf Krause. Und da die türkische Großfamilie auch nicht mehr das ist, was sie früher einmal war, wissen immer mehr türkische Senioren nicht, wohin sie im Alter sollen. Die Zahl der türkischen Senioren in Deutschland ist in den vergangenen Jahren geradezu explodiert. Laut Statistischem Landesamt lebten 1985 nur 1116 Türken über 65 Jahre in NRW, 1995 waren es schon 6178 und 2005 war die Zahl auf 37 588 gestiegen.

Im "Haus am Sandberg" sind 18 von 96 Bewohnern Ausländer, davon derzeit 15 Türken, 2 Holländer und 1 Tunesier. Auf die türkischen Bewohner hat man sich hier in Duisburg extra eingestellt. Es gibt türkische Küche, einen Gebetsraum und zweisprachiges Pflegepersonal. "Das Miteinander ist sehr gut, wobei es oft nur noch ein Nebeneinander ist", sagt Krause. Die meisten der Senioren sind demenzkrank oder leiden unter Alzheimer.

Der Versuch, eine ausschließlich türkische Wohngruppe einzurichten, ist gescheitert. "Die Türken sind ja keine homogene Gruppe", sagt Krause. Es gebe Schiiten, Sunniten, Aleviten, manche der Bewohner stammten aus dem urbanen Istanbul, andere aus der ländlichen Provinz.

"Nicht alle sind praktizierende Muslime"
Zweimal die Woche kommt ein Hodscha, ein muslimischer Geistlicher, zu Gesprächen und zum Beten. "Doch nicht alle Türken nehmen dieses Angebot wahr, nicht alle sind praktizierende Muslime", erzählt Krause. Am Anfang, vor ziemlich genau zehn Jahren, als das "Haus am Sandberg" in einer Kooperation mit der Universität Duisburg entstand, habe man noch viele Fehler gemacht.

"Wir haben beispielsweise alle türkischen Bewohner in den Gebetsraum zum Beten gebracht, wenn der Hodscha kam", erzählt Krause. Keiner der Senioren habe abgelehnt. Doch als mit der Zeit immer mehr türkische Bewohner über Unwohlsein oder Schmerzen klagten, wenn der Hodscha ins Haus kam, habe man gemerkt, dass sie gar nicht dauernd zum Beten wollten. "Die hatten einfach keinen Bock, haben sich aber nicht getraut, etwas zu sagen", lacht Krause.

Weißbrot mit Marmelade
Auch mit dem Essen ist es nicht immer so wie man denkt. In dem Duisburger Seniorenheim stehen zwar Schafskäse, Fladenbrot und Oliven regelmäßig auf dem Speiseplan. "Doch viele Türken leben ja schon seit Jahrzehnten hier und essen lieber Weißbrot mit Marmelade", sagt Krause.

Einmal die Woche gibt es ein türkisches Frühstück, an dem selbstverständlich auch die anderen Nationalitäten des Heims teilnehmen können. "Da sorgt dann jedes Mal einer der deutschen Bewohner mit seiner Mundharmonika für ein bisschen Stimmung", erzählt Krause. Bevorzugt spiele der dann deutsche Volkslieder wie "Warum ist es am Rhein so schön?" oder "Schön ist die Jugend, sie kommt nicht mehr".