Die Predigt von Joachim Kardinal Meisner mit Bild und Ton

"Fest der Darstellung des Herrn"

Genau 40 Tage nach Weihnachten: domradio übertrug zum "Fest der Darstellung des Herrn" am Freitagabend das Pontifikalamt aus dem Kölner Dom. Es predigte der Kölner Erzbischof Joachim Kardinal Meisner. Das noch immer weihnachtliche Hochamt begann mit einer Prozession und einer Kerzenweihe. Der Mädchenchor am Kölner Dom sang, an der Orgel spielte der stellvertretende Domorganist Ulrich Brüggemann.

 (DR)

"Mariä Lichtmeß"
Mit der Bezeichnung „Darstellung des Herrn" erhielt das heutige Fest seinen Charakter als Herrenfest wieder. Maria und Josef stellten Jesus im Tempel dar, weihten ihn Gott und brachten das Opfer, wie es das Gesetz vorschrieb. Der an der Wende vom 10. zum 11. Jahrhundert aufkommende Brauch der Kerzensegnung und der Lichterprozession führte im deutschen Sprachraum zu der Bezeichnung „Mariä Lichtmeß". Zwei historische Feste liegen dem heutigen Festtag zugrunde: ein älteres Fest in Jerusalem und ein jüngeres in Rom. Die Pilgerin Egeria sprach von einem Fest, das 40 Tage nach Epiphanie gefeiert wurde, zu dem eine Eucharistiefeier und eine feierliche Prozession gehörten. Seit dem 5. Jahrhundert feierte man es in Jerusalem, seit dem 7. Jahrhundert in Rom als „Fest der Begegnung" mit einer Lichterprozession.
Der 2. Februar ist seit 1997 zugleich der „Tag des geweihten Lebens", ein Tag des Dankes und der Bitte für Menschen, die sich mit ihrem Leben ganz Gott zur Verfügung stellen, sich ihm geweiht haben.

Stets hat die Theologie den Menschen stärker unter dem Aspekt seines Todes wahrgenommen als im Blick auf seine Geburt. Doch Menschsein heißt Geborensein. Auch in Zeiten der Familienplanung und der pränatalen Diagnostik: Die Geburt eines Kindes ist ein Gottesgeschenk. Menschsein als Geborensein anzuerkennen, heißt, die Grenzen eigener Macht und eigenen Machens anzunehmen. Niemand lebt sein Leben eigenmächtig. Dass wir leben, ist nicht unser Verdienst - unser Leben ist verdankt. Eine Einsicht, die im Machbarkeitswahn unserer Tage rasch untergeht. Die Vorschriften, die jüdische Eltern nach der Geburt eines Kindes zu beachten haben, halten sie im Gedächtnis. Vierzig Tage nach Jesu Geburt erfüllen Josef  und Maria zwei Weisungen, die „Reinigung" der Mutter, bei der ein Opfer dargebracht wird (Lev 12) und die „Darstellung" des Kindes (Num 18, 15f.). Israel denkt daran, dass Gott das Volk aus dem Sklavenhaus Ägypten befreit hat. Die erstgeborenen Söhne Israels gehören ihm in besonderer Weise und werden durch eine symbolische Gabe ausgelöst.
© Butzon & Bercker, Messbuch/Magnificat

Kyrie-Rufe
Herr Jesus Christus, du bist das Heil,
das Gott vor allen Völkern bereitet hat.
Du bist das Licht, das die Heiden erleuchtet,
und Herrlichkeit für dein Volk Israel.
Du bist ein Zeichen, dem widersprochen wird.

Erste Lesung
In Jerusalem werden Zweifel laut: Ist Gott noch mit uns im Bunde? Nach der Rückkehr aus dem Exil haben sich die Verheißungen jedenfalls nicht erfüllt. Die erwartete Wende zum Besseren ist ausgeblieben. Politische und wirtschaftliche Misere prägt den Alltag. Wann zeigt sich der Herr endlich in voller Größe? Der Prophet, der um die Mitte des fünften Jahrhunderts v. Chr. in der Provinz Juda wirkt, stellt die Frage anders. Was, wenn der Herr wirklich kommt? Wird er dann nicht Gericht halten? Das Kommen Gottes löst eine Krise aus, hoffentlich. Alle müssen sich entscheiden: Wollen wir selbstgerecht weitermachen wie bisher? Oder werden wir einander gerecht?

Zweite Lesung
Der Bann des Todes ist gebrochen: Jesus bricht die mächtigen menschenfeindlichen Strukturen unserer kollektiven und persönlichen Wirklichkeit auf und macht sie vor Gott und bei den Menschen unwirksam. Er vermag dies, weil er auf beiden Seiten ganz zu Hause ist. Er kommt von Gott und teilt Gottes Leben. Er stellt sich als Mensch vorbehaltlos auf die Seite der Menschen. Seine Treue zu Gott und zu den Menschen bis zum Tod am Kreuz ist des Todes Tod. Der in Versuchung geführt wurde, Ängste ausgestanden und an Leib und Seele gelitten hat, vermag bedrohten, verführten und leidenden Menschen ein verlässlicher und verständiger Helfer zu Gott zu sein. Nur so kann der Erlöser erlösen.

Evangelium
Vielleicht wissen wir kaum etwas davon, vielleicht können wir nicht viel darüber sagen, aber jede und jeder von uns trägt eine große Sehnsucht mit sich herum. Die beiden Betagten im Tempel haben diese Sehnsucht ein Leben lang lebendig gehalten. Diese Sehnsucht hat sie am Leben gehalten. Simeon und Hanna sind mit ihrer Hoffnung gewachsen. Die Hoffnung ist mit ihnen gereift. Zwei Menschen haben sich ihr Leben lang nach dem Trost und der Erlösung Israels gesehnt  und ihre Sehnsucht hat die Welt schon verändert. In einer Sternstunde erleben sie die Erfüllung ihrer Lebenszeit und aller Zeit: Simeon bedeutet „Erhörung", Hanna heißt „Gnade". Wem kommt das letzte Wort zu: der Kraft der Hoffnung - oder der Schwerkraft der Verhältnisse, der Mutlosigkeit, dem Zynismus und der Resignation? Begraben wir unsere Sehnsucht achselzuckend als Illusion - oder lassen wir uns von ihr, wie Simeon und Hanna, zum Ziel unseres Lebens tragen?