In Kamp-Linfort liefen die letzten Handys von Band, nun das Steinkohle-Aus - Blick in eine Gemeinde vor Ort

"BenQ war schlimmer"

Nun steht es fest: Ab 2018 wollen Bund und das Land Nordrhein-Westfalen die Steinkohleförderung nicht mehr subventionieren. Was bedeutet der Ausstieg für die Menschen vor Ort? "Die Situation ist für uns nicht aus heiterem Himmel gefallen", sagt Pfarrer Markus Dördelmann ganz unaufgeregt. Er betreut die doppelt betroffene Pfarrei St. Josef in Kamp-Lintfort, wo am Dienstag die letzten BenQ-Handys produziert wurden.

 (DR)

"Damals wurde den Bergleuten gratuliert"
"BenQ war und ist wesentlich dramatischer", erinnert Dördelmann an die Insolvenz des koreanischen Handyherstellers. Im Standort Kamp-Lintfort wird am Dienstagmittag das letzte Handy fertig gestellt. Mehr als 1600 Arbeitsplätze waren zuvor verloren gegangen. Stellen, die zum Teil mit ehemaligen Bergleuten besetzt waren.

"Damals wurde den Bergleuten gratuliert, die zu Ben-Q gewechselt waren. Nach dem Motto 'Ihr habt eine gute Zukunftsentscheidung getroffen'." Heute bereuten diese Kumpel ihre Entscheidung, beschreibt der Geistliche das Dilemma der gegenwärtigen Situation.

"Viele verlassen sich auf die Überprüfungsklausel 2012"
Dem Steinkohle-Ausstieg blickt Dördelmann gelassener entgegen. Seine Gemeinde habe schon einige Kohlenkrisen erlebt und alles sei immer gut gegangen."Viele verlassen sich auf die Überprüfungsklausel 2012 und hoffen, dass es irgendwie doch noch eine Perspektive gibt."

"Allerdings", räumt Dördelmann ein, "ist noch sehr viel in Kamp-Lintfort auf den Bergbau konzentriert". Der Ausstieg würde die Gemeinde sehr treffen. Es gebe kaum Alternativen.

Hoffnung machten den Menschen auch aktuelle Energieentwicklungen."Viele in Kamp-Lintfort beobachten gespannt die Spielchen von Gazprom und der gesamten russischen Erdgas-Industrie und denken sich: 'Wer weiß, vielleicht wird die Kohle eines Tages ja doch wieder salonfähig'."