EKD-Kongress diskutiert über die Zukunft der Kirche

Reformdebatte in Wittenberg

Die Reformvorschläge der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) sind auf dem Zukunftskongress in Wittenberg überwiegend auf Zustimmung, aber auch auf Kritik gestoßen. Mehr als 300 Vertreter des deutschen Protestantismus nahmen am Freitag in der Lutherstadt die Diskussion über das kirchliche Reformpapier "Kirche der Freiheit" auf. Der Kongress trifft keine Entscheidungen, soll aber nach Erwartung des EKD-Ratsvorsitzenden, Bischof Wolfgang Huber, zu einer Beschleunigung notwendiger Veränderungen beitragen.

 (DR)

"Wir brauchen Reformen"
Mit der Debatte über Reformperspektiven bis 2030 reagiert die EKD auf langfristige Entwicklungen wie weiteren Mitgliederschwund, sinkende Finanzkraft und Bevölkerungsrückgang. Im vergangenen Sommer hatte die EKD das von einer Expertenkommission ausgearbeitete Impulspapier "Kirche der Freiheit" vorgelegt, dessen Empfehlungen in der Kirche eine zum Teil heftige Diskussion auslösten.

Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt bestärkte die evangelische Kirche in ihren Reformbestrebungen. Dabei sollte sich die Kirche aber nicht über Strukturfragen "auseinanderdividieren", sagte sie in Wittenberg. Vielmehr sei von der Kirche eine Antwort gefragt, welche Rolle Religion und Glaube in der Gesellschaft spielen sollten. "Deswegen brauchen wir Reformen und einen neuen Aufbruch, nicht vordergründig, weil wir weniger werden und das Geld knapp wird", sagte die Grünen-Politikerin, die auch der EKD-Synode angehört.

Zu den schärfsten Kritikern der Reformvorschläge gehörte der Schleswiger Bischof Hans Christian Knuth. "Wir sind Kirche Jesu Christi, und nicht Kirche der Freiheit", sagte der Theologe aus der nordelbischen Kirche in Schleswig-Holstein und Hamburg. Er äußerte die Befürchtung, dass die Reformen zu "Zentralismus und Hierarchisierung" in der Kirche führten.

Impulspapier stößt auf zum Teil auf Ablehnung
Auf Ablehnung stießen auch einzelne Empfehlungen aus dem Impulspapier wie die Ausweitung der Gemeindeformen. Die Unterscheidung zwischen "Ortsgemeinden" und "Profilgemeinden" sei nicht plausibel, kritisierte Pastorin Almuth Jürgensen aus Schleswig-Holstein. "Jede Ortsgemeinde muss sich anstrengen, ihr Profil zu schärfen", mahnte die Theologin. Eine Reduzierung klassischer Angebote schade der Ausstrahlung der Ortsgemeinde.

Der Göttinger Theologieprofessor Jan Hermelink riet zur Gelassenheit, falls rasche Missionserfolge ausblieben. "Die Kirche, die wir jetzt reformieren, wird bei vielen Menschen, gerade den so genannten Distanzierten, erst in der nächsten Generation ankommen", sagte Hermelink. Eine Kirche, die Bindung und Freiheit des Glaubens darstelle, werde sich um das Interesse der Menschen nicht sorgen müssen.

"Kultur kann und sollte zu einem Schlüssel werden"
Der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann, sagte, die evangelische Kirche könne auf einen gemeinsamen kulturellen Kernbestand zurückgreifen und durch Kultur Zugang zur Kirche eröffnen: "Kultur kann und sollte zu einem Schlüssel werden, mit der Kirche in Kontakt zu kommen", so Zimmermann.

Rund 20 Redner ergriffen am Freitagvormittag im Plenum das Wort, unter ihnen Pfarrer, leitende Geistliche, Theologieprofessoren und Studenten. Die Redner wurden ausgelost. Die EKD-Kulturbeauftragte Petra Bahr betonte bei der Eröffnung, dass der Kongress kein Beschlussgremium sei. Der überwiegende Teil der 308 Teilnehmer wurde von den 23 Landeskirchen bestimmt, zudem lud der Rat der EKD einige Teilnehmer ein.

Der EKD-Ratsvorsitzende Huber hatte den Kongress am Donnerstagabend in der Wittenberger Stadtkirche, der Wirkungsstätte Martin Luthers, eröffnet und zur Erneuerung der Kirche und zur Schärfung des evangelischen Profils aufgerufen. Die Tagung geht an diesem Samstag zu Ende.