Erzbischof von Gnesen zur Lage der Kirche in Polen

"Als moralische Instanz Schaden genommen"

Der Gnesener Erzbischof Henryk Muszynski beurteilt die Situation der katholischen Kirche in Polen wegen der Kontakte zum kommunistischen Geheimdienst SB weiter als sehr schwierig. Die Kirche habe als moralische Instanz Schaden genommen, sagte er am Freitag in Berlin in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Die Entscheidung von Papst Benedikt XVI., die zum Rücktritt des belasteten Warschauer Erbischofs Stanislaw Wielgus führte, habe jedoch eine Wende eingeleitet.
Muszynski (73) gilt als einer der profiliertesten Vertreter des polnischen Episkopats. Dieser trat am selben Tag zu einer Sondersitzung zusammen, um über die Konsequenzen aus Geheimdienst-Debatte zu beraten.

 (DR)

KNA: Herr Erzbischof, wie ist die Situation der Kirche in Polen nach dem spektakulären Amtsverzicht des Warschauer Erzbischofs Wielgus?

Muszynski: Sehr schwierig. Aber auch hoffnungsvoll, weil es eine Wende gegeben hat durch die Entscheidung des Papstes, die der Unsicherheit ein Ende setzt. Ich glaube, es war auch eine Prüfung und eine Läuterung für die Kirche, für uns Bischöfe, aber auch für alle Gläubigen, allerdings eine sehr schwierige Erfahrung.

KNA: Wie bewerten Sie den Fall Wielgus?

Muszynski: Ich will nicht verteidigen, was nicht zu verteidigen ist. Für das, was er Schlechtes getan hat, hat er sich aber in einer christlichen Weise entschuldigt und um Vergebung gebeten. Wenn jemand seine Schuld anerkennt, dann sollte man ihm im Sinne des Evangeliums die Hand reichen, wie auch Gott uns vergibt.

KNA: Was ist in der Kirche Polens falsch gelaufen bei der Aufarbeitung der Kontakte mit dem Geheimdienst?

Muszynski: Wer in der DDR gelebt hat, weiß, wie groß der Druck des Geheimdienstes war, wie hinterlistig seine Leute waren und in welcher Form sie versuchten, besonders die Priester für sich zu gewinnen - die Kirche war ja die einzige unabhängige und freie Institution. Zum Teil ist das gelungen. Aber es gab auch Märtyrer. Einige Morde an Priestern sind bis heute nicht geklärt.

KNA: In den Medien hieß es, dass zwölf Bischöfe Kontakt zum Geheimdienst gehabt haben sollen. Ist die Zahl realistisch?

Muszynski: Dahinter stehen meiner Meinung nach keine Beweise. Es gibt so viele Vermutungen, die wenig realistisch sind.

KNA: Es ist auch die Rede davon, dass es in Polen nun zu einer Hexenjagd auf kirchliche Würdenträger kommt. Was halten Sie von dieser Vermutung?

Muszynski: Von Hexenjagd kann man nicht sprechen. Ich erwarte aber, dass man auf folgende Prinzipien achtet: das Recht aller auf Einsicht in die Geheimdienst-Akten, das Recht zur Verteidigung und auch die Unschuldsvermutung, solange nicht das Gegenteil bewiesen ist.

KNA: Hat die katholische Kirche in Polen als moralische Instanz Schaden genommen?

Muszynski: Sicherlich. Aber man sollte bedenken, dass es die heilige Kirche der Sünder ist, wie Papst Benedikt XVI. gesagt hat. Wenn einige versagen, ist das nicht das Versagen der Kirche und Jesu Christi.

Interview: Gregor Krumpholz (KNA)