Im Jahr 2007 stehen in der Biopolitik Weichenstellungen an

Ethik und Wissenschaft: Unvereinbar?

Wenn der Zeitplan der Regierung Gültigkeit behalten soll, muss der Bundestag bald entscheiden: Zum 1. Juli 2007 soll der Deutsche Ethikrat den seit 2001 bestehenden Nationalen Ethikrat ablösen. Damit soll es ein gesetzlich legitimiertes Beratungsgremium für grundsätzliche bioethische Fragen geben. Denn bislang arbeitet der Ethikrat nach wie vor als Gremium von Kanzlers Gnaden. Gerhard Schröder (SPD) hatte Rat und Mitglieder eingesetzt, ohne den Bundestag einzubinden.

 (DR)

Doch die Pläne von Bundesforschungsministerin Annette Schavan (CDU), die Mitarbeit von Abgeordneten aus Bund und Ländern auszuschließen und die Berufung der Ratsmitglieder je zur Hälfte von Parlament und Regierung vornehmen zu lassen, stoßen in Teilen des Parlaments auf heftigen Widerspruch. Bei der Ersten Lesung ihres Gesetzentwurfs im Bundestag bekam Schavan im November viel Gegenwind zu spüren, auch weil der Rat in der Regel nicht öffentlich arbeiten soll. Um den Start zum Juli vorbereiten zu können, sollte das Gesetz bis Ostern verabschiedet sein. Doch Änderungen an der Vorlage scheinen gewiss. Falls es über die Ausschussberatungen hinaus noch zu einer Anhörung kommt, kann es zeitlich eng werden. Schließlich streiten die Abgeordneten um ihren Einfluss, zumal sie keine Enquetekommission mehr zu diesem Themenkomplex haben.

Die Ethikrat-Reform gehört zu den wichtigen biopolitischen Weichenstellungen 2007. Im schwarz-roten Koalitionsvertrag findet sich nur der allgemeine Satz: "Ethische Prinzipien und wissenschaftlichen Fortschritt werden wir weiterhin miteinander in Einklang bringen." Diese Formulierung verweist auch auf die Frage der embryonalen Stammzellforschung, die seit einigen Wochen wieder dabattiert wird. Zumindest Teile der CDU-Spitze drängen auf eine Lockerung der Rechtslage. Derzeit dürfen Wissenschaftler nur an solchen Stammzellen forschen, die vor 2002 im Ausland gewonnen wurden. Gut 20 solcher Bewilligungen gibt es.

Seit die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) am 10. November wieder einmal die Streichung der Stichtagsregelung forderte, gibt es Bewegung. Forschungsfreudige Unionsabgeordnete sekundieren mit Liberalisierungsplädoyers. Bemerkenswert daran ist, dass die CDU-Seite - gestützt von der evangelischen Kirche - einen Kompromiss aufkündigt, den vor knapp fünf Jahren CDU-Parlamentarier gegen die Schröder-Administration erkämpften.

Zu vermuten ist, dass die Reihen jener, die eine liberalere Regelung ablehnen, nicht mehr so geschlossen sind wie 2002. Die Auseinandersetzung ist emotional aufgeladen. Die Stimmen, die einen Generalangriff auf das seit gut 15 Jahren geltende Embryonenschutzgesetz erwarten, mehren sich. Diese Gemengelage kann sich auf weitere Fragen auswirken - etwa auf das Ringen um eine andere Rechtslage bei Spätabtreibungen, deren Überprüfung im Koalitionsvertrag festgeschrieben ist. Da solche Bemühungen in den vergangenen beiden Legislaturperioden ergebnislos blieben, gilt eine Änderung auch jetzt als unwahrscheinlich. Im Grundsatz bleibt zwischen Unionspolitikern und SPD-Frauen eine Kontroverse über den Schutzstatus des ungeborenen Lebens einerseits und das Selbstbestimmungsrecht der Frau andererseits.

Zum Pflichtenkatalog des Koalitionsvertrages gehört auch eine Regelung für Patientenverfügungen, in denen der Einzelne Vorgaben für den Fall formuliert, dass er sich nicht mehr äußern kann.
Nachdem Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) den Eindruck erweckte, kaum mehr mit einer Regelung vor 2009 zu rechnen, kam zuletzt erneut Fahrt in die Debatte. Juristentag, Ärzteverbände, Ethikrat, Enquetekommission, Hospizbewegung und Kirchen bezogen Stellung. Es geht um die Reichweite solcher Verfügungen und den Anspruch menschlicher Selbstbestimmung. Die einen wollen Verfügungen allein für irreversibel zum Tode führende Erkrankungen gelten lassen, die anderen wollen mehr.

Vermutlich schon im Januar kommt die Frage nach einer Regelung für genetische Untersuchungen am Menschen auf die Tagesordnung.
Im Kern geht es darum, welche Rolle solche Erkenntnisse bei
Versicherungs- oder Arbeitsverträgen spielen dürfen. Auch der nach wie vor engagierte Nationale Ethikrat will eine Stellungnahme zu diesem Themenbereich vorlegen.