Pro und Contra, diskutiert mit Sozialbischof Reinhard Marx

Hohe Gehälter für Top-Manager

Die Frage, ob es ethisch gerechtfertigt ist, Arbeitsplätze abzubauen, wenn Unternehmen zugleich hohe Gewinne erwirtschaften, hat im zurückliegenden Jahr viele sozialpolitische Diskussionen bestimmt.
Auch über die Höhe der Vergütungen für Führungskräfte in der Wirtschaft gingen die Meinungen weit auseinander. Nach Auffassung des Sozialbischofs Reinhard Marx sollten Manager nicht nur den Profit für die Aktionäre im Blick haben. Auch die Interessen der Beschäftigten müssten beachtet werden.

 (DR)

Top-Manager in Deutschland bekommen nach Auffassung des EKD-Sozialexperten Gert G. Wagner bisweilen hohe Gehälter, die nicht zu rechtfertigen sind. Hier gebe es eine "Kontrolllücke" in den Aufsichtsräten, sagte der Vorsitzende der Kammer für soziale Ordnung der Evangelischen Kirche in Deutschland.

Dagegen sind hohe Gehälter für Manager nach Auffassung des Präsidenten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Jürgen Thumann, gerechtfertigt. Eine Managementtätigkeit bringe eine hohe Verantwortung, eine hohe Belastung und vor allem ein hohes Risiko mit sich. Gehälter wären außerdem auch Marktpreise.

Marktwirtschaft braucht gesellschaftliche Akzeptanz
Nach Auffassung des Trierer Bischofs Reinhard Marx, sollten Manager nicht nur den Profit für die Aktionäre im Blick haben. Auch die Interessen der Beschäftigten müssten beachtet werden, sagte der Vorsitzende der Kommission für gesellschaftliche und soziale Fragen der katholischen Deutschen Bischofskonferenz.
Bischof Marx fordert ein Bonussystem für Manager, das dann greift, wenn Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden. Ein Interview mit Bischof Reinhard Marx:

In diesem Jahr sind Manager und Unternehmensvorstände zum Teil heftig kritisiert worden, weil Arbeitsplätze abgebaut wurden, während zugleich die Gewinne sprudelten. War diese Kritik berechtigt?

Bischof Marx: Ich habe für diese Kritik großes Verständnis gehabt. Die Marktwirtschaft lebt ja auch von der grundsätzlichen Zustimmung der Bevölkerung. Es muss das Vertrauen da sein, dass es in diesem System einigermaßen gerecht zugeht und dass die Solidarität aller im Blick bleibt. Und wenn ein Unternehmen schwarze Zahlen schreibt und Gewinne macht, sind Massenentlassungen niemandem zu vermitteln. Hier gibt es eine "gefühlte Ungerechtigkeit" der Menschen, die dazu führen kann, dass das marktwirtschaftliche System an Akzeptanz verliert. Deswegen sprechen wir in Deutschland bewusst von der Sozialen Marktwirtschaft.
Sie ist eine ständige Aufgabe aller, sowohl der Unternehmen wie der Gewerkschaften und auch der Politik.

Inwieweit sind Manager nicht nur den Aktionären und dem Unter-nehmenswohl, sondern auch den Beschäftigten verpflichtet?

Bischof Marx: Eine alleinige Orientierung am so genannten Shareholder Value ist nicht nur ethisch bedenklich, sondern langfristig auch ökonomisch unvernünftig. Wenn große Unternehmensführer in Deutschland vor einigen Jahren gesagt haben, das Ziel des Unternehmens sei: Profit, Profit, Profit!, dann merkt man, welchen Niedergang an Unternehmenskultur wir in Deutschland in den letzten Jahren erlebt haben. Die Verantwortlichen in einem Unternehmen haben selbstverständlich nicht nur die Interessen der Aktionäre im Blick zu behalten, sondern auch die berechtigten Interessen der Beschäftigten, der Kunden und der Umwelt.

Sind Managergehälter in Deutschland bisweilen unangemessen hoch?

Bischof Marx: Die Frage nach dem gerechten Lohn ist sehr schwer zu beantworten. Auch in anderen Bereichen gibt es gelegentlich Gehälter und Einkommen, die im Vergleich zum Durchschnittsverdienst unangemessen erscheinen. Im Bereich des Sports oder des Showbusiness wird das eher akzeptiert. Ich halte es aber für unangemessen, wenn sich Manager mit Showstars und großen Künstlern vergleichen wollen.
Die Entwicklung in den Unternehmen in den letzten Jahren halte ich für nicht gut, vor allem im Bereich der Bonussysteme. Sie greifen bisweilen auch dann, wenn Kapital vernichtet wurde und Arbeitsplätze ständig abgebaut werden. Da wäre ein Bonussystem besser, das dann greift, wenn Arbeitsplätze erhalten und geschaffen werden.

Welche Rolle spielen Moral und Ethik in Zeiten der Globalisierung und wirtschaftlicher Zwänge?

Bischof Marx: Für die Führungskräfte in den Unternehmen müssen Gerechtigkeit und Fairness zu den selbstverständlichen Tugenden gehören. Es gibt keinen Bereich, der "ethikfrei" wäre, in dem ich also nicht verpflichtet bin, das Gute zu tun. Zudem ist eine Ordnungspolitik nötig - Rahmenbedingungen, die das Gemeinwohl und die ethischen Prinzipien einer Gesellschaft im Blick behalten. Die große Herausforderung des 21. Jahrhunderts wird sein, Regeln und Rahmenordnungen für die Globalisierung der Wirtschaft zu finden.
Daran muss intensiv gearbeitet werden, denn eine Marktwirtschaft ohne eine solche soziale Rahmenordnung ist nicht nur ethisch inakzeptabel, sondern auch langfristig ökonomisch nicht vernünftig. Johannes Paul II. hat gesagt, dass wir auch eine "Globalisierung der Solidarität" brauchen.

Mit Bischof Marx sprach Wolfgang Plischke von der evangelischen Nachrichtenagentur edp.