Sozialforscher: Fremdenfeindlichkeit im Osten weit verbreitet

Unhaltbare "Deutsche Zustände"

Während die rechtsextreme Gewalt in Deutschland in diesem Jahr wohl alle Rekorde brechen wird, berichtet nun eine neue Studie über ein deutliches Ost-West-Gefälle bei der Fremdenfeindlichkeit. In den fünf neuen Bundesländern seien über 60 Prozent der Bürger fremdenfeindlich eingestellt, im Westen 46 Prozent, heißt es in der diesjährigen Erhebung der Langzeituntersuchung "Deutsche Zustände". Insgesamt habe etwas weniger als die Hälfte der Bundesbürger (48,5 Prozent) fremdenfeindliche Gefühle, erklärten Experten der Universität Bielefeld. Vereinfacht ausgedrückt: Im Osten und Süden der Republik ist es nicht leicht, nicht deutsch zu sein.

 (DR)

Am häufigsten (64 Prozent) zeigten sich die Befragten in Mecklenburg-Vorpommern fremdenfeindlich. In Thüringen sind es 61,1 Prozent. Auf den weiteren Plätzen liegen Sachsen-Anhalt (60,1), Sachsen (59,4) und Brandenburg (58,2).

Bayern und Saarland nah dran am Osten
Im Westen ist das Saarland (54,2) an der Spitze. Es folgen Bayern (51,4), Niedersachsen (48,7), Hessen (48,4) und Rheinland-Pfalz (47,4). Dahinter liegen Baden-Württemberg (45,4), Nordrhein-Westfalen (43,7) und Bremen (42,5). Das geringste Maß an Fremdenfeindlichkeit wurde in Schleswig-Holstein (41,3), Hamburg (37,6) und Berlin (36,9)
ermittelt.

Die feindselige Einstellung zu Fremden sei nur eine der Folgen wachsender sozialer Desintegration, erläutert Studienleiter Wilhelm Heitmeyer die Ergebnisse. Zudem habe die Angst vor der Zukunft und das Gefühl, politisch keinen Einfluss zu haben, in den vergangenen fünf Jahren zugenommen.

Keine Besserung in Sicht
"Die höchste Zustimmung zu feindseligen Äußerungen finden wir in dörflichen Gemeinden und Kleinstädten Ostdeutschlands.» Wegen des stärkeren Drucks zu angepasstem Verhalten sei in diesen abwanderungsstarken und wirtschaftlich schwachen Regionen eine weitere Zunahme von Fremdenfeindlichkeit zu befürchten, so der Sozialwissenschaftler.

Widersprüchliche Studien
Die Ergebnisse der neuen Studie überraschen, erst vor wenigen Wochen hatte eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung das Vorurteil vom "rechtsextremen Osten" revidiert: Sie kam zu dem Schluss, im Westen Deutschlands gebe es mehr Menschen mit rechtsextremen Einstellungen als im Osten.

CSU-Generalsekretär Markus Söder kritisierte die Studie: „Solche Studien gehen an der Realität völlig vorbei." Tatsache sei, dass in Bayern entgegen dem Bundestrend rechtsextremistische Straftaten deutlich zurückgegangen seien. Söder fügte hinzu: „Bayern ist das Land mit der geringsten Kriminalität in Deutschland, in dem sich Deutsche und Ausländer gleichermaßen sicher fühlen können."

Für die Linksfraktion im Bundestag betonte dagegen die migrationspolitische Sprecherin Sevim Dagdelen, durch die Studie sei die Dringlichkeit eines „Nationalen Aktionsplans gegen Rassismus" noch einmal „auf besondere Weise deutlich geworden". Sie warf der Bundesregierung einen „schlampigen Umgang" mit dem Thema Rechtsextremismus vor.
Als Zeichen für Fremdenfeindlichkeit galt in der Studie eine Zustimmung zu den Aussagen „In Deutschland leben zu viele Ausländer" und „Wenn Arbeitsplätze knapp werden, sollte man die in Deutschland lebenden Ausländer wieder in ihre Heimat schicken". Befragt wurden 9968 Bürger.

Keine Überraschung: Nationalstolz und fremdenfeindliche Einstellungen liegen eng beieinander
Der Leiter der Studie, Professor Wilhelm Heitmeyer, äußerte sich besorgt über die „Verdichtung" von sozialen Problemen in vielen Regionen Ostdeutschlands. Hier entstehe „Demokratieentleerung". Gerade in wirtschaftlich „abwärtsdriftenden Regionen" stießen zugewanderte Fremde auf Feindseligkeit. Es sei zu befürchten, dass „das Diskriminierungs- und Gewaltrisiko zunimmt".

Heitmeyer warnte, es sei „riskant, soziale Desintegration mit Nationalstolz kompensieren zu wollen". Dies habe sich auch bei der Fußball-Weltmeisterschaft gezeigt. Der Professor fügte hinzu: „Der 'neue' Nationalstolz in Schwarz-Rot-Gold wurde allgemein begrüßt. Die Auswertung der Daten unserer Längsschnittstudie von 2002 und 2006 zeigt jedoch, dass Nationalstolz einen signifikanten Einfluss auf fremdenfeindliche Einstellungen hat: Je höher die Identifikation mit Deutschland und je größer der Stolz auf die eigene Gruppe, desto stärker werden Fremdgruppen abgewertet."

Rechtsextreme Kriminalität erreicht Rekord
Gleichzeitig wird nun bekannt, dass die rechtsextreme Kriminalität in Deutschland in diesem Jahr offenbar auf einen neuen, traurigen Rekord zusteuert. Wie der Berliner Tages-spiegel unter Berufung auf Angaben der Bundesregierung berichtet, hat die Polizei bundesweit von Januar bis Ende Oktober über 10.000 rechte Straftaten registriert. Das wären in diesem Zeitraum so viele wie noch nie seit 2001. Damals hatten die Landeskriminalämter ein neues System zur Erfassung politisch motivierter Straftaten eingeführt.