Medienbischof: Markt für Killerspiele strenger kontrollieren

Sind Computerspiele an allem schuld?

Der katholische Medienbischof, Gebhard Fürst, hat strengere Kontrollen des Marktes für Computer- und Internet-Killerspiele gefordert. Brutale Computerspiele würden bei Jugendlichen zu einer verzerrten Wahrnehmung der Wirklichkeit führen, sagte der Rottenburger Bischof am Dienstag. Besonders Jugendliche mit Identitätsproblemen und Selbstzweifeln stünden in der Gefahr, sich in virtuellen Spielen mit der Rolle des Stärkeren und Gewalttätigen zu identifizieren. Auch führende Politiker fordern ein Verbot. Der Leiter des Instituts für Kinderpsychologie Hannover, Wolfgang Bergmann, warnt im domradio davor, von den vielen anderen Ursachen für Gewalt abzulenken.

 (DR)

Fürst: Verheerende Medienverwahrlosung
In einem durch Killerspiele geprägten Bewusstsein hätten Mitleid und Empathie keinen Platz, so der Vorsitzende der Publizistischen Kommission der Deutschen Bischofskonferenz. Es verfestige sich spielerisch ein Menschenbild, in dem der andere nur als Mittel zum Zweck oder Hindernis auf dem Weg zum eigenen Erfolg angesehen werde. Aus christlicher Sicht müsse gegen eine verheerende Medienverwahrlosung von Kindern und Jugendlichen Widerspruch angemeldet werden, so der Medienbischof. Neben einer Kontrolle des Marktes sei die Medienkompetenz in den Familien zu stärken.

"Jugendliche, die weitaus mehr Zeit vor dem Computer verbringen als in lebendigen Beziehungen zwischen Menschen, verlernen die Wirklichkeit", betonte Fürst.


Politik fordert Kontrollgremium
Auch führende Unions-Politiker forderten am Dienstag ein Verbot von Killerspielen, der niedersächsische Innenminister Uwe Schünemann (CDU) kündigte eine entsprechende Bundesratsinitiative an.

Bildungsexperten verlangten eine neue Schulkultur, die weniger auf Ausgrenzung setzt. Mehr als 60 Psychologen und Seelsorger betreuten Schüler und Lehrer der Geschwister-Scholl-Realschule im Kulturzentrum der Stadt im Münsterland. Die Schule blieb geschlossen.

Neben einem Verbot so genannter Baller-Spiele forderte Schünemann auch die Abschaffung der Unterhaltungssoftware Selbstkontrolle (USK). Stattdessen müsse es ein völlig neues Gremium zur Überprüfung von PC-und Video-Spielen geben, das allein in staatlicher Hand sei, sagte der Minister der „Netzeitung". Auch der CDU-Innenexperte Wolfgang Bosbach und der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) unterstützten ein Verbot von „Killerspielen".

SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz zeigte sich ebenfalls offen für ein Verbot. NRW-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers (CDU) sagte bei einem Besuch in Emsdetten, Gewalt-Videos und PC-Spiele hätten „im Kinderzimmer nichts zu suchen". Auch der Jugendforscher Klaus Hurrelmann befürwortet ein Verbot.

Grüne und Linke sind dagegen
Bei Grünen und Linkspartei sowie der Gewerkschaft der Polizei (GdP) stieß die Debatte dagegen auf Kritik. Der Geschäftsführer der Grünen-Bundestagsfraktion, Volker Beck, plädierte stattdessen für Maßnahmen, „um sinnvolle Computernutzung zu fördern und Isolation zu vermeiden". Der Fraktionsvize der Linkspartei, Bodo Ramelow, sprach von einer Ersatzdebatte. Um der Gewalt die Wurzeln zu entziehen, müsse über Fragen der Pädagogik und des Schulsystems nachgedacht werden.

Auch der GdP-Vorsitzende in NRW, Frank Richter, forderte, statt über PC-Spiele müsse über die Rolle von Eltern, Freunden, Nachbarn, Vereinen und Lehrern sowie über „Gleichgültigkeit, Wegschauen und mangelnde Zuwendung" gesprochen werden. Der Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Alfred Buß, hob gleichfalls die Verantwortung des Einzelnen für sein Umfeld hervor: „Wir sind mitverantwortlich für einander", erklärte er.


Gegenvorschlag: Neue Schulkultur
Experten verlangten unterdessen eine neue Schulkultur. Die Verlierer müssten eine Chance habe, „überhaupt wahrgenommen zu werden", sagte der Kriminologe Christian Pfeiffer im SWR. Deutschland sei „Europameister im Ausschließen". Ähnlich äußerte sich der Bildungsexperte der westfälischen Kirche, Hans-Martin Lübking. Im deutschen Schulsystem machten zu viele Jugendliche negative Erfahrungen. Eine wachsende Zahl von ihnen fühle sich daher ausgegrenzt und sehe keine Perspektive mehr.