Glockengeläut gegen Neonazis bleibt nun doch straffrei - Stoiber lobt Entscheidung

"Würde wieder etwas Ähnliches machen"

 (DR)

Der Miltenberger Stadtpfarrer Ulrich Boom muss nun doch keine Geldbuße wegen der Störung eines Neonazi-Aufmarschs durch Glockenläuten bezahlen. Wie das Justizministerium am Freitag mitteilte, wird das Verfahren gegen den Pfarrer ohne Geldauflage eingestellt. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) betonte, der Verzicht der Justiz auf eine Bestrafung des Pfarrers sei „die einzig richtige Entscheidung". In den vergangenen Tagen kursierte in Miltenberg das Gerücht, dass der Geistliche 2000 Euro Geldbuße bezahlen soll.

Pfarrer Boom zeigte sich am Freitag sichtlich erfreut über die Einstellung des Verfahrens gegen ihn. „Ich finde das natürlich gut und bin froh, dass es so gelaufen ist", sagte er im Gespräch mit der Nachrichtenagentur ddp. Er warte jetzt auf das Schreiben des Staatsanwalts, um endgültig Sicherheit zu haben.

Zeichen der Zivilcourage eines mutigen Pfarrers
Stoiber betonte, dass er „jede andere Entscheidung" der Justiz „für unverständlich und nicht nachvollziehbar" gehalten hätte. Kirchenglocken gehörten nun mal zu Bayern und seien Teil der kulturellen Tradition des Landes. Dies gelte erst recht, wenn das Läuten von Kirchenglocken gegen Neonazi-Aufzüge gerichtet sei. Er lobte Booms Verhalten als „Zeichen der Zivilcourage eines mutigen Pfarrers".
Auch Miltenbergs Bürgermeister Joachim Bieber (CSU) betonte: „Ich bin hoch erfreut, dass die Staatsanwaltschaft die Gesetze meiner Meinung nach richtig ausgelegt hat." Er begrüße „den Mut der Behörde, mit der Einstellung des Verfahrens ein klares Signal zu setzen". Es wäre schließlich auch ein Unding gewesen, wenn man das Läuten von Kirchenglocken „als grobe Störung" eingestuft hätte.

Genau darauf hatte sich die NPD-Jugendorganisation berufen und den Stadtpfarrer angezeigt. Nach dem Versammlungsgesetz ist eine „grobe Störung" einer genehmigten Veranstaltung nämlich strafbar. Boom hatte am 22. Juli 20 Minuten lang die Glocken der Jakobuskirche läuten lassen, während die Neonazis knapp 800 Meter von der Kirche entfernt auf dem Marktplatz eine Kundgebung abhalten wollten. Die Rechten brachen ihre genehmigte Versammlung wegen des lauten Geläuts schließlich ab.

Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) betonte, der Pfarrer habe zwar gegen das Versammlungsgesetz verstoßen, jedoch: „Unsere Geschichte lehrt uns, einen Unterschied zu machen, zwischen üblichen, etwa gewaltsamen Störungen einer Versammlung und dem Bemühen, auf friedliche Weise zu erinnern und zu mahnen." Merk erläuterte, dass das Glockenläuten, mit dem die Kundgebung verhindert wurde, „ein Symbol für Friedlichkeit und religiöse Überzeugung" sei und unter dem besonderen Schutz der Religionsfreiheit stehe. Das Verfahren sei wegen Geringfügigkeit eingestellt worden.

Beispielhaftes Verhalten?
Der Sprecher des Bistums Würzburg, Bernhard Schweßinger, begrüßte die Entscheidung der Justiz: „Wir freuen uns sehr über diesen angemessenen und vernünftigen Ausgang des Verfahrens." Ob diese Entscheidung nun ein Ansporn für alle Geistlichen sei, in ähnlichen Fällen ebenfalls die Kirchenglocken läuten zu lassen, wollte der Sprecher nicht kommentieren. Es liege in der Verantwortung jedes einzelnen Priesters, wann er die Glocken seiner Kirche läute.

Stadtpfarrer Boom ist sich nicht sicher, ob er wieder so handeln würde: „Aufgrund meiner Lebensart vermute ich jedoch, dass ich wieder etwas Ähnliches machen würde." Der unterfränkische SPD- Landtagsabgeordnete Heinz Kaiser, der am Donnerstag noch mit einer Pressemitteilung die Gerüchte um eine Geldbuße genährt hatte, ist mit dem Ausgang des Verfahrens „insgesamt zufrieden". Boom habe „unserer Demokratie einen großen Dienst erwiesen".