Geringstes Lehrstellenangebot in NRW seit 30 Jahren

Von nicht gehaltenen Versprechungen

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Nordrhein-Westfalen spitzt sich zu. Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres waren zum Stichtag 30. September 10.540 Jugendliche ohne Lehrstelle gemeldet. Das sind 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das Angebot an gemeldeten Ausbildungsplätzen fiel dagegen um vier Prozent niedriger aus als im Jahr zuvor und schrumpfte damit auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren.

 (DR)

Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Nordrhein-Westfalen spitzt sich zu. Mit Beginn des neuen Ausbildungsjahres waren zum Stichtag 30. September 10.540 Jugendliche ohne Lehrstelle gemeldet. Das sind 15 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Das Angebot an gemeldeten Ausbildungsplätzen fiel dagegen um vier Prozent niedriger aus als im Jahr zuvor und schrumpfte damit auf den niedrigsten Stand seit 30 Jahren. Dem stand zugleich die höchste Lehrstellennachfrage seit 1987 gegenüber. Die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di erneuerte ihre Forderung nach einer Ausbildungsumlage, der Ausbildungspakt sei gescheitert. Bundeswirtschaftsminister Glos forderte weitere Bemühungen der Wirtschaft in der Nachvermittlung. Hören Sie Heinz Quindeau, Landesreferent für Arbeitsmarktpolitik und Jugendberufshilfe beim diakonischen Werk der evangelischen Kirche im Rheinland im domradio-Interview.

Über die Arbeitsagenturen suchten 156 835 Bewerber einen Ausbildungsplatz - sieben Prozent mehr als 2005. Der Engpass bringt daher immer längere Warteschleifen mit sich: Nur noch knapp die Hälfte der diesjährigen Bewerber stammt aus dem zu Ende gegangenen Schuljahr. Dagegen haben 54 Prozent den Schulabschluss bereits 2005 und früher gemacht.

Nur ein Drittel der Betriebe bilden aus
„Mittlerweile schieben wir fast einen kompletten Bewerberjahrgang in alternativen Bildungsmaßnahmen vor uns her", beklagte die Leiterin der Regionaldirektion, Christiane Schönefeld. Auch in der nahen Zukunft sei keine Entspannung zu erwarten. „Im nächsten Jahr kommt mit 213 000 Jugendlichen der stärkste Jahrgang aus der Schule, etwa 5000 mehr als 2006.", betonte sie. Auch in den Folgejahren werde die Lehrstellen-Nachfrage nur langsam abnehmen.
Verschärft wird das Problem durch die mangelnde Ausbildungsbereitschaft der Betriebe, wie die Regionalagentur bemängelt. Nach einer Umfrage der Behörde bilden in NRW nur 32 Prozent der Betriebe aus, obwohl weitere 29 Prozent Lehrstellen anbieten könnten. Der Rest von 39 Prozent der Firmen hat keine Ausbildungsberechtigung.
„In keiner Branche entspricht das Angebot von Ausbildungsplätzen der Nachfrage", bilanzierte Schönefeld. Vorhandene schulische oder soziale Defizite von Bewerbern seien vor diesem Hintergrund „nicht das Grundproblem" des Ausbildungsmarktes. Hinzu komme, dass nach der Reform der Arbeitsförderung keine Nischen mehr existierten, in die Jugendliche „abtauchen" könnten.

Minister zeigt Zuversicht - Opposition kritisiert
Entsprechend hoch bleiben die Ausgaben für ausbildungsfördernde Maßnahmen. Bis Ende September zahlte die Agentur dafür landesweit rund 261 Millionen Euro. Annähernd 46 000 Plätze für berufsvorbereitende Bildungsmaßnahmen sind geplant. Landesarbeitsminister Karl Josef Laumann (CDU) zeigte sich unterdessen zuversichtlich, dass „ein großer Teil" der noch unversorgten Bewerber bis Weihnachten ein Angebot bekommt. Die Zahl der Jugendlichen in schulischen Warteschleifen müsse verringert werden. Die SPD im Landtag warf der Landesregierung vor, nicht genug gegen die „Katastrophe" auf dem Ausbildungsmarkt zu unternehmen. Die NRW-Grünen rügten die Betriebe, ihrer Verpflichtung der Schaffung von Ausbildungsplätzen nicht nachzukommen.

BDKJ fordert Sofortprogramm für 50.000 neue Ausbildungsplätze
Der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) hat von der Bundesregierung ein Sofortprogramm zur Schaffung von mindestens 50.000 neuen außerbetrieblichen Ausbildungsplätzen für die nächsten fünf Jahre gefordert. Die Lage auf dem Ausbildungsmarkt in Deutschland sei katastrophal und werde "noch schlechter, wenn die Verantwortlichen nicht endlich etwas tun", erklärte der Vorsitzende der BDKJ-Initiative "Arbeit für alle", Gregor Gierlich, am Mittwoch in Düsseldorf.

Besonders betroffen seien sozial benachteiligte Jugendliche, beklagte Gierlich. Für sie sei es schwer, einen betrieblichen Ausbildungsplatz zu finden. Auch die außerbetrieblichen Ausbildungsplätze für Benachteiligte seien um mehr als neun Prozent zurückgegangen. "Es droht eine wachsende Zahl junger Menschen ohne Perspektive", mahnte Gierlich. "Wenn wir diesen sozialen Sprengstoff für die Zukunft entschärfen wollen, müssen wir außerbetriebliche Ausbildung nicht kürzen, sondern ausbauen."
(dr,ddp,epd)