Gammelfleischskandal: Kritik an Maßnahmenkatalog

Viel Aufregung, keine Konsequenzen?

Lebensmittelskandale erschüttern in schöner Regelmäßigkeit die Republik, für wenige Tage zeigen sich dann Verbraucher, Lebensmittelwirtschaft und Politik betroffen über die Zustände in Schlachthöfen, bei Tiertransporten und in Lagerhäusern - um sich dann wieder mit Genuss ihrer Haxe zuzuwenden.

 (DR)

Lebensmittelskandale erschüttern in schöner Regelmäßigkeit die Republik, für wenige Tage zeigen sich dann Verbraucher, Lebensmittelwirtschaft und Politik betroffen über die Zustände in Schlachthöfen, bei Tiertransporten und in Lagerhäusern - um sich dann wieder mit Genuss ihrer Haxe zuzuwenden. Was bleibt von der Aufregung, von den 13-Punkte-Maßnahmekatalogen und 10 Punkte-Plänen? Nur alter Wein in neuen Schläuchen, wie die Grüne Bärbel Höhn den Verantwortlichen vorwirft? Kann das geplante Verbraucherinformationsgesetz künftig Skandale verhindern? Die Verbraucherschützerin Dr. Cornelia Ziehm von der Deutschen Umwelthilfe kritisiert im domradio-Interview, dass die Interessen der Wirtschaft weiterhin im Vordergrund stünden.

Etikettenschwindel im wahrsten Sinne des Wortes
Im Verbraucherausschuss des Bundestages kritisierte Bundesverbraucherschutz-Minister Seehofer am Freitag, die bayerischen Kontrollen seien nicht auf der Höhe der Zeit. Das in die Kritik geratene Kühlhaus bei München sei seit Juli acht Mal kontrolliert worden. Es könne nicht sein, dass dort vier Jahre lang Fleisch vergammelt im Kühlhaus hänge, so Seehofer. Da sei etwas mit den Kontrollen nicht in Ordnung.
Seehofer nannte es erschreckend, dass Etikettenschwindel einfach möglich gewesen sei. Bayerns Verbraucherschutzminister Schnappauf forderte den Bund auf, einen Beitrag zu leisten, dass die Kontrollen auch optimal durchgeführt werden können. Er regte an, Waren mit Strichcodes zu versehen, um Kontrolleuren die Arbeit zu erleichtern.

13-Punkte Maßnahmenkatalog
Als Konsequenz aus dem jüngsten Fleischskandal hatten Bund und Länder am Donnerstag beschlossen, bei der Lebensmittelkontrolle stärker zusammenarbeiten. Seehofer sowie die Verbraucherschutzministerinnen und -minister der Länder wollen damit "alle Möglichkeiten ausschöpfen, um eine höhere Lebensmittelsicherheit zu erreichen". Sie einigten sich auf einen 13-Punkte-Maßnahmenkatalog. Er enthält unter anderem das Ziel, länderübergreifende Qualitätsstandards für die Kontrolle von Fleischbetrieben und Kühlhäusern einzuführen. Seehofer betonte, solche Standards lägen in der Zuständigkeit der Länder. "Ich will mitwirken an der Koordination", so der Minister. Es werde aber keine "Bundesoberbehörde" geben.

Die Standards sollen durch eine unabhängige Prüfung überwacht werden. Vorgesehen ist auch, den Strafrahmen bei Verstößen gegen das Lebensmitteltrecht konsequenter auszuschöpfen, bis hin zum Berufsverbot. Seehofer betonte, es müsse mehr von der Möglichkeit Gebrauch gemacht werden, Betriebe zu schließen. Bei Verstößen sei das Wichtigste die "öffentliche Nennung der Namen". Dies habe die größte Vorbeugewirkung.

Kritik an Maßnahmen
Die Einigung stößt bei Verbraucherschützern und der Opposition auf Kritik. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen ist unzufrieden mit dem 13-Punkte-Plan. Er spricht von einer "unverbindlichen Wunschliste" und fordert konkretere Verbindlichkeiten. Der Opposition gehen die einheitlichen Kontrollen nicht weit genug. Die Grünen-Politikerin Höhn beklagte in der öffentlichen Sitzung des Verbraucherausschusses, die Einigung sei bloße Symbolik. Schließlich könnten Behörden schon seit einem Jahr Firmennamen veröffentlichen, die in Skandale verwickelt seien. Thilo Bode, Sprecher der Verbraucherorganisation Foodwatch, fordert ein neues Lebensmittelrecht und harte Strafen für die Täter. Hören Sie im domradio-Interview Thilo Bode zum jüngsten Fleischskandal.

Vegetarier fühlen sich ein weiteres Mal bestätigt
Der Vegetarier-Bund Deutschlands profitiert vom Gammelfleisch-Skandal. Die Nachfrage nehme zu, wenn das Thema Fleisch in den Medien negativ besetzt werde, sagte der Vorsitzende, Schönberger. Immer mehr Menschen verzichten in ihrer Ernährung auf Fleisch. Seit dem Jahr 1983 ist ihre Zahl von 0,6 Prozent der Bevölkerung auf acht Prozent in die Höhe geschnellt, berichtet die "Apotheken Umschau". Über die Motive war bislang wenig bekannt. Eine Studie des Instituts für Psychologie der Friedrich-Schiller-Universität Jena ergab nun, dass die meisten Vegetarier aus moralischen Gründen auf Schnitzel und Co. verzichten: weil dafür Tiere getötet werden müssen, weil die Haltung der Tiere mit Leid verbunden ist oder deren Rechte verletzt.