Wenig Lob, viel Kritik für Gesundheitsreform

Nach der Einigung ist vor dem Streit

Der Kompromiss der Koalitionsspitzen zur Gesundheitsreform ist heute Thema in den Fraktionen von Union und SPD. Die Parteispitzen haben sich zuversichtlich geäußert, dass ihre jeweiligen Fraktionen den Eckpunkten zustimmen. Doch hinter den Kulissen rumort es, besonders bei der SPD. Von eitel Sonnenschein keine Spur.

 (DR)

Der Kompromiss der Koalitionsspitzen zur Gesundheitsreform ist heute Thema in den Fraktionen von Union und SPD. Die Parteispitzen haben sich zuversichtlich geäußert, dass ihre jeweiligen Fraktionen den Eckpunkten zustimmen. Doch hinter den Kulissen rumort es, besonders bei der SPD. Von eitel Sonnenschein keine Spur. Die Parteilinken in der SPD haben Widerstand angekündigt. Auch Opposition, Arbeitgeber, Sozialverbände und Gewerkschaften kritisierten die Beschlüsse.

Kritik bei Krankenkassen
SPD-Vorstandsmitglied Niels Annen "sieht keinen Grund, warum er dafür stimmen sollte". Die SPD habe "wenig erreicht von dem, was sie sich vorgenommen habe", so Annen. Er werde weiter daran arbeiten, das ursprüngliche Ziel der SPD durchzusetzen, durch Steuererhöhung das Gesundheitssystem sozial gerecht und nachhaltig zu finanzieren.

Die geplante Gesundheitsreform stößt auch bei Krankenkassen auf Kritik. Vertreter von AOK und IKK bemängelten, dass die große Koalition keine Lösungen für die Finanzprobleme der Kassen gefunden habe. Beide Krankenkassen erwarten deshalb, dass die Versichertenbeiträge um 0,7 Prozentpunkte steigen. Bundeskanzlerin Merkel hatte von Beitragserhöhungen um 0,5 Punkte gesprochen.

„Kassensozialismus und Planwirtschaft"
Die Apothekerverbände kündigten Widerstand gegen die Reform an. Die künftig möglichen Preisverhandlungen zwischen Apothekern und Kassen gingen voll zu Lasten der Pharmazeuten, erklärte der Präsident der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, Heinz-Günter Wolf. Ihnen drohe ein „enteignungsgleicher Eingriff ins Privatvermögen".

Die Grünen haben die Vereinbarungen der großen Koalition als "Merkel-Murks" kritisiert. Der Parteivorsitzende Reinhard Bütikofer sagte, gemessen an ihren eigenen Zielen sei die Koalition "blamabel gescheitert". Dies sei auch ein persönliches Scheitern von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Sie habe keines ihrer Versprechen umsetzen können.

FDP-Gesundheitsexperte Daniel Bahr nannte die Erhöhung der Krankenversicherungsbeiträge einen „Hammer" und äußerte die Erwartung, dass dem auch noch eine Steuererhöhung folgen werde. Der vereinbarte Gesundheitsfonds sei „Kassensozialismus und Planwirtschaft", so FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle. Von einem „eher bescheidenen Durchbruch" sprach auch der Wirtschaftsweise Bert Rürup.


Eckpunkte der geplanten Gesundheitsreform

Steigende Beiträge
Unter anderem sollen die Beiträge für die gesetzliche Krankenversicherung in Deutschland Anfang kommenden Jahres um 0,5 Prozentpunkte steigen, kündigte Merkel an. Die geplanten Strukturreformen würden erst mittelfristig wirksam. Die nötigen Einsparungen seien noch nicht im kommenden Jahr zu erwarten.

Die Steuerbeiträge sind sicher
Union und SPD hätten sich zudem auf den Einstieg in eine stufenweise Umfinanzierung der Krankenkassenkosten für Kinder aus Steuermitteln geeinigt. Ab 2008 sollen 1,5 Milliarden Euro, ab 2009 dann drei Milliarden aus Steuern aufgebracht werden. Die Steuermittel würden in den Folgejahren aufgestockt. Steuererhöhungen werde es nicht geben, sagte CSU-Chef Edmund Stoiber.

Privat bleibt erhalten
2008 wird der Gesundheitsfonds eingeführt, in den Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge sowie Steuern fließen. Die Krankenkassen erhalten eine Pauschale pro Versichertem. Wenn sie mit dem Geld nicht auskommen, müssen sie Zusatzbeiträge erheben. Die privaten Krankenversicherungen bleiben nach dem Beschluss der Koalition erhalten, müssen künftig aber jeden Bürger aufnehmen, unabhängig von seinem Risiko zu erkranken.
(epd, kna, dr)

Ein Beitrag von Gabor Vago über die Ergebnisse der Nacht und ein Stimmungsbericht von Berlin-Korrespondent Gerhard Hofmann.