Die Welt

Das Kölner Domradio könnte zum Modellfall werden

Autor/in:
Gernot Facius
 (DR)

In der Diskussion: Ein bundesweiter katholischer Sender

PR-Leute nennen ihn den "Günter Netzer des Glaubens". Pater Eberhard von Gemmingen (70) ist, wie der Fußballkommentator, ein fachkundiger Erklärer seines Metiers: in diesem Fall von Papst, Kirche und Religion. Als Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan gilt der Jesuitenpater als katholischer Medienexperte par excellence. Auf einer römischen Tagung mit Fachleuten aus Kirche, Medien und Gesellschaftswissenschaften hat von Gemmingen nun eine neue Diskussion über ein altes Thema angestoßen: ein katholisches Radio für Deutschland.

Sein Impuls bringt die deutschen Bischöfe in Verlegenheit. In ihren Reihen wird zwar seit den 1990er Jahren über ein solches Projekt diskutiert, aber die Realisierung scheiterte bis dato an der Uneinigkeit, manche sagen: Egoismus der Diözesen. "Wir könnten viel, viel weiter sein, wenn die Akteure sich einig wären", heißt es bei den Medienfachleuten des Sekretariats der Deutschen Bischofskonferenz in Bonn.

Es schwingt viel Resignation mit in diesen Worten. Und die Erinnerung an das Schicksal des in der Ära des "Medienbischofs" Hermann Josef Spital (Trier) in Ludwigshafen gestarteten Radio Campanile, das 1998, nach nur zwei Jahren, seinen Betrieb einstellen mußte. Dies sei die erste und letzte Gelegenheit gewesen, ein katholisches Radio zu etablieren, hieß es damals. Diese Einschätzung ist widerlegt. Es gibt längst ein funktionierendes Modell: das Kölner Domradio, vom Erzbistum betrieben, ein 24-Stunden-Vollprogramm ohne Werbung, seit Pfingsten 2000 "auf Sendung", mit Nachrichten, von Radio Vatikan, Interviews, Kulturthemen, liturgischen Angeboten, "softer" Rock- und Popmusik, Beratung und "Lebenshilfe". Es könnte der Nukleus eines bundesweiten katholischen Programms sein, wenn da nicht einige Hindernisse im Wege stünden.

Der kleine Radiosender mit dem "Hört!-Hört!"-Wetterhahn als Markenzeichen und dem Slogan "Der gute Draht nach oben" ist nur über Kabel, Satellit, Digitalradio und im Internet zu empfangen, aber nicht drahtlos über UKW. Alle Bemühungen um die begehrten UKW-Frequenzen gingen bisher ins Leere, in Berlin wie in Hannover. Nun hofft man auf eine Frequenz in Köln, wofür sich der nordrhein-westfälische Innenminister Ingo Wolf (FDP) schon 2005 einsetzte - und darauf, daß nicht jedes der 27 Bistümer sein eigenes rundfunkpolitisches Süppchen kocht, sondern zu einer "Vernetzung" bereit ist.

Wenn die großen Spieler, zum Beispiel Köln und München, sich einig wären, hätte ein erweitertes Domradio eine Chance - davon ist man in Köln und Bonn überzeugt. Zumal das Domradio sich entgegen mancher Befürchtung nicht zu einem "Kardinal Meisner-Funk" entwickelt hat. "Der Kardinal hat sich nicht ein Mal in die operative Ebene eingemischt. Dafür bin ich ihm dankbar", sagte Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen bei der Feier des fünften Geburtstages vor einem Jahr. "Wir sind kein Verkündigungssender." Ziel sei es, christliche Werte tagesaktuell in den gesellschaftlichen Dialog zu bringen, man arbeite an der Schnittstelle zwischen Kirche und Gesellschaft. "Es ist ein kleines, feines, aber vor allem freies Radio", lobte der Journalist und ehemalige "Report"-Moderator Franz Alt. "Ich habe da auch schon ordentlich Kirchenkritik üben können."

Das Kölner Programm ist eben nicht Rundfunk "von Überzeugten für Überzeugte". Damit grenzt es sich klar von dem aus Spenden finanzierten bayerischen katholischen Radio Horeb ab, das MDR-Intendant Udo Reiter bei der Tagung in Rom kritisierte. Reiter warnte die Kirche davor, sich wie Radio Horeb im Streit um Frequenzen mit den öffentlich-rechtlichen Anstalten anzulegen. Letztlich untergrabe dies den Status, den die Kirchen dank der Rundfunkstaatsverträge bei diesen Sendern einnähmen. Ein Argument, auf das auch katholische Bischöfe noch immer hören.