Junge Leute produzieren das einzige offzielle deutsche Kirchen-Radio

Sender mit Draht «nach oben»

Seit fünf Jahren werden in Köln Radiosendungen für Gläubige produziert. Das Dom-Radio ist bundesweit einzigartig und seit dem Papst-Tod besonders aktuell. Bezahlt wird das Projekt vom Kölner Erzbistum.

 (DR)

Nach der Nachricht vom Tod des Papstes vergangenen Samstag zog es die Kölner magisch in die Innenstadt: Der Dom hatte gerufen. Ein halbe Stunde lang läutete «der dicke Pitter», die schwere Glocke im Kölner Gotteshaus. Tausende versammelten sich im Dom und auf dem Vorplatz. Auch die Mannschaft vom Dom-Radio schwärmte aus, um mit den Menschen zu sprechen. Vom Sender sind es nur ein paar Schritte bis zum Hauptportal.
Seit fünf Jahren arbeitet hier, im Schatten der mächtigen Kathedrale, ein fester Stamm von 12 Mitarbeitern und 30 Freien für den «ersten kirchlichen Sender» Deutschlands. Von seinen Kir-chensteuergeldern zweigt das katholische Bildungswerk des Kölner Erzbistums jährlich 1,5 Millionen Euro ab für Personal-, Betriebs- und Netzkosten. Ohne Werbung, dafür mit Unterstützung des katholischen Missionswerks Missio sowie Kolping International wird ein christlich-kirchliches 24-Stun-den-Programm geboten, das offenbar auch bei Jüngeren zunehmend Anklang findet. In dieser Woche, nach dem Tod des Papstes, sind die Internet-Abrufe explosionsartig gestiegen.
Kein Verkündigungsprogramm
«Wir sind aber kein Verkündigungsprogramm», grenzt sich Ingo Brüggen-jürgen, Chefredaktor des Dom-Radios, ab. Mit dem konservativen Verkündigungsprogramm, wie es das Radio Ho-reb aus München liefert, das ausschliesslich von privaten Spenden Gläubiger finanziert wird und vorwiegend mit Gebeten auf Sendung ist, möchte der Theologe nicht verwechselt werden. Zu fromm, sagen die einen, zu fundamentalistisch die anderen.
Das Dom-Radio ist einzigartig in Deutschland.   Nachdem  das  Projekt
Radio Campanile in den 90er-Jahren scheiterte, weil sich 27 Bistümer nicht auf einen bundesweiten Sender einigen konnten, sind neben den Kölnern nur noch der Internet-Kirchensender Kip der Diözese Rottenburg-Stuttgart, der Rest einer früheren Bewegung von «Kirche im privaten Radio», und der Deutschland-Ableger von Radio-Vatikan als Mitstreiter im kirchlichen Arbeitsfeld übrig geblieben.
Liturgisches bieten die Kölner am Morgen und am Abend. Zum Einstimmen und Ausklingen. Ein aktueller Bibeltext wird wochenweise von wechselnden Studiogästen interpretiert, und zwar so, dass jeder etwas damit anfangen kann. Ausserdem wird zu jeder vollen Stunde ein kurzerText aus der Bibel oder aus «Weisheitsliteratur» zitiert. Mal Bert Brecht, mal Wilhelm Busch. Ansonsten ähnelt die Palette weitgehend einem weltlichen Radiosender. So gibt es Aktuelles über Gesellschaft, Mensch und Kirche. Politisches, Sozialkritisches, Lebenshilfe. Und natürlich
viel Musik. Viel Rock und Pop. Und kölsche Mundart. In der Stadt erreicht der Sender, der via Kabel, Satellit, Internet und digital (DAB) verbreitet wird, bis zu 60 000 Hörer. Doch europaweit können 4 Millionen Haushalte den Sender empfangen, darunter auch die Schweizer.
Dom-Radio in den 90ern gegründet
Wie kommt man auf die Idee, mit über 20 anderen Programm-Machern im Raum Köln zu konkurrieren? Die Idee zur Gründung eines eigenen Dom-Radios entstand in den 90er-Jahren, als so genannte offene Stationen angesagt waren und die Kölner Erzdiözese den Bürgern ermöglichte, in Radiowerkstätten selber Sendungen zu produzieren. 1998, zur 750-Jahr-Feier des Kölner Doms, wurde dann zwei Wochen lang mit grossem Erfolg ein so genanntes Veranstaltungsradio durchgeführt - ein Testlauf für das Dom-Radio, das selbst in Zeiten knapper Kassen offenbar gut überleben kann.
LIFE CHANNEL
Auch in der Schweiz gibt es ein Projekt für einen christlichen Radiosender. Bereits im vergangenen Dezember hat das Bundesamt für Kommunikation dem Medienunternehmen ERF (Evangelium in Radio und Fernsehen) eine Sendekonzession für die Verbreitung eines Programms über Kabel und Internet erteilt. Geplanter Starttermin für den Life Channel genannten Kanal ist der 1. Oktober 2005. Die Startkosten für den Sender belaufen sich auf 900 000 Franken. Gemäss einer ERF-Sprecherin sind bislang 650 000 Franken an Spendengeldern eingegangen. Die Studios befinden sich in Pfäffikon ZH, wo sich eine mehrköpfige Redaktion 650 Stellenprozente teilen wird. ERF rechnet mit rund 100 000 Hörern pro Tag. (bau)