Das Kölner Domradio macht auf lustig - doch Kardinal Meisner versteht nicht jeden Spaß

Direkter Draht zu Gott

 (DR)

Wenn man im Radio bei Elton John, Whitney Houston oder Phil Collins hängen bleibt, dann ist man ziemlich wahrscheinlich älter als 35 Jahre und bevorzugt einen Musikstil, den Hörfunk- Profis als AC einstufen. AC steht für adult contemporary und signalisiert gefällige Hit-Klassiker, die den 40-Jährigen nicht langweilen und den 60-Jährigen nicht abschrecken. Als Kuschelrock verkauft sich solche Weichspülerware millionenfach. Das macht man sich beim Domradio in Köln zunutze. Zwar vermarktet man dort keinen Kuschelgott, dafür hat man aber eine Marke kreiert, die aus sanftem Seichtpop „himmlische Hits" macht. Da sucht Robbie Williams schmalzend bei seinen „Angels" Beistand, schlagen Simon &Garfunkel jammernd die „Bridge OverTroubled Water", und Marius Müller- Westernhagen ist mit „Lass uns leben" für die Abteilung Optimismus zuständig.
Rund zwei Millionen Haushalte in Nordrhein-Westfalen können das Kölner Domradio über Kabel empfangen. Das Sendegebiet reicht von Bottrop bis Bad Münstereifel, von Brüggen bis Olpe. Doch nicht jeder erkennt das Domradio sofort, wenn er die örtliche Frequenz streift. Wo mancher Orgelklänge und Gottesdienste rund um die Uhr vermutet, tönt meist purer Pop. „Wir wollen Leute erreichen, die mit Kirche nicht mehr so viel zu tun haben, aber immer noch durch eine kirchliche Wertebrille schauen", skizziert Stephan Baur das Konzept. Der stellvertretende Chefredakteur ist einer von zehn Mitarbeitern, die das jährlich 1,5 Millionen Euro teure Projekt im Auftrag des Erzbistums Köln in Gang halten und zu solch einem Erfolg machen, dass andere Bistümer bereits überlegen, das Kölner Produkt als Mantelprogramm einzukaufen.
Mit kecken Sprüchen und pfiffigen Einfällen versucht die Mini-Mannschaft ihr 24-Stunden-Programm von anderen Sender abzuheben. So preist ein Prospekt den „direkten Draht nach oben". Den sieht Baur direkt vor den Fenstern des Sendestudios gespannt. Denn dort steht breit und imposant der kathedrale Namensgeber. „Das ist die Vertikale nach oben", sagt er und weist auf den meist quirlig belebten Vorplatz: „Die Domplatte ist die breite plurale Ebene." Für diese Ebene will das Domradio senden und in einer Art Undercover-Mission nach verlorenen Schäfchen fahnden, die mit dem Lasso von 60 Prozent Musikanteil in „liturgische Eckchen" gezogen werden. Zur vollen Stunde gibt es ein Glockenläuten, und
dann wird ein besinnlicher Text verlesen, der gerade so lang sein darf, dass niemand wegschaltet. „Wir sind kein Verkündigungssender. Wir müssen die ganze plurale Breite abdecken", sagt Baur und müht sich um das Bild eines richtigen journalistischen Senders mit Nachrichten und allem drum und dran.
Weihrauch löst Alarm aus
Nur am Abend, am Wochenende und zu besonderen Anlässen wird das sanfte Schema unterbrochen. Dann ist klassisch klerikale Prime Time, dann werden Gottesdienste übertragen und klassische Musik gespielt. Bundesweit von sich reden machte das Domradio, als es im letzten Jahr die Gedenkfeier zum Tode von Hannelore Kohl live übertrug. Noch mehr Wind verursachte allerdings der örtliche Oberhirte höchst persönlich. Als Joachim Kardinal Meisner zum Start vor knapp zwei Jahren das Studio einweihen wollte, brachte er eine so große Portion Weihrauch mit, dass die örtliche Feuerwehr erschreckt einen Brand vermutete. Nur mit Mühe konnten mehrere Löschzüge am Ausrücken gehindert werden. Für den jungen Sender war es jedenfalls eine willkommene Werbung.
Zwar ist der Kölner Kardinal formal Chef der Institution, aber bislang hat er sich aus dem laufenden Geschäft heraus gehalten. „Es gibt keine Themen, bei denen wir sagen: Wenn wir das machen, springt uns der Kardinal aus der Mitra", sagt Baur. Dann räumt der radio-aktive Theologe aber ein, dass man sich im Falle eines Konflikts zwischen dem Erzbischof und einem Priester eher auf andere Medien verlassen würde. Auch bei der Diskussion über das tägliche Tagesevangelium biete es sich an, auf bekannte Kirchenkritiker zu verzichten: „Wir können das nicht mit Herrn Drewermann besprechen. Dann haben wir ein Problem."
Hans Hoff