Brings weiter auf Erfolgswelle - Starke Höhner und Stroßefäjer Mit der decke Trumm gegen den Ballermann

Auf der Suche nach dem Sessionshit 2002

 (DR)

Wenn die Höhner mit den Trommlern und Tänzern von Mama Afrika auf die Bühne ziehen und mit den schweren Trommeln die Wände des Saals zum Wanken bringen, kommt das einem Fanal gleich: Hier wird getrommelt gegen den scheinbar unaufhaltsamen Trend im kölschen Fasteleer, den die Musikchefs von Radio Köln, WDR 4 oder dem Domradio unisono
„Ballermannisierung" nennen. Billige Elektronik statt handgemachter Musik, Maschinen-Rumtata statt echtem Schlagzeug, Hochdeutsch statt Kölsch. „Da giert so mancher nach überregionalem Erfolg", sagt Klaus Huber, stellvertretender Chefredakteur von Radio Köln.
Der Trend der letzten Jahre setzt sich fort: Die zweite und dritte Liga im Karneval versucht den Aufstieg zu erzwingen. „Die haben längst nicht mehr nur den Karneval im Blick", so Georg Hinz vom Domradio. „Die wollen den bundesweiten Erfolg und die Auftritte im Sommer auf Mallorca." Für Reinhard Kröhnert von WDR 4 ist klar: „Musik und Texte leiden darunter."
Außer der „Rose" von den Räubern, einem der Stimmungshits in den Sälen, gelingt es keinem der hochdeutschen und meist grauenvoll „instrumentierten" Liedern, die kölschen Jecken von den Stühlen zu reißen. „Werbefachmann" Bernd Stelter rettet sein „Kaninchen" ganz knapp vor der Schlachtplatte, indem er sich selbst mit der Gitarre begleitet und das dumpfe, auf CD gepresste Gestampfe beim Auftritt weglässt. Über den Text zu streiten, lohnt im Karneval ohnehin nicht.
Doch es geht auch anders: Da ziehen die Stroßefäjer mit einer kompletten Blaskapelle ins Plattenstudio und produzieren mit „Endlich wieder Karneval" einen der stärksten Songs der Session - ganz klassisch; ganz traditionell und ganz Klasse. Oder die Rheinländer: „Kölle es do, wo d'r Dom steiht" ist das schönste Schunkelstück geworden. Ein bisschen zu kompliziert zum Mitsingen ist „Wenn de Mamm Jebootsdaach hätt" von den Vagabunden - aber urkölsch, wunderschön und handgemacht. Sogar „covern" kann man durchaus gekonnt, wie Jot dabei mit „Uns Nata-lie" (auf „Drei Apfelsinen im Haar") beweisen. Überraschend das BAP-Debüt im Fasteleer: „Die Moritat vun Jan un Griet" ist zumindest im Bus des Reiterkorps ein Hit geworden. Eine ungewöhnliche Begegnung auch bei der Ehrengarde: Da rappt ' Mr. James zum Marsch der Garde. Die Maßstäbe setzen -wie fast in jedem Jahr - die unangefochtenen Höhner („Sansibar") und Black Fööss („Wenn mir Kölsche singe"). „Einen echten Sessionshit gibt es eigentlich diesmal nicht", meint Hinz, der in diesem Jahr zum zweiten Mal zum Praxistest für den Kneipenkarneval ins „Lapidarium" am Eigelstein einlud. Hier wurden 16 aktuelle Produktionen vom typischen Kneipenkarnevalspublikum zwischen 25 und Ende 50 getestet, geübt und mit Punkten bewertet. Unangefochtene Nummer eins beim Publikum der prall gefüllten Kneipe wurde Brings mit „Wenn et funk", dem Nachfolge-Hit von „Superjeilezick". Auf den weiteren Plätzen landeten die Höhner, die Stroßejäger und die Fööss. Platz fünf ging an die stärksten Neulinge der Session mit dem besten Song fürs Tanzbein: Die Band Kleeblatt besingt „Anna". Hinter Piatz sechs, den che Rheinländer belegten, kam lange nichts: Die Ballermann-Fraktion fiel durch. Hinz' Fazit: „Es ist gut, dass sich die schönen kölschen Lieder mit der decke Trumm immer wieder durchsetzen."